Soeben war die Hauptspeise serviert, Branzino in Salzkruste, wir stießen mit gekühltem Riesling (ich hatte leichteren Sauvignon vorgeschlagen) auf den schönen Abend an, da sagte er lachend den verhängnisvollen Satz: „Carola, ich trinke auf Dich, Du tolle, anstrengende Frau.“ Es war wie ein Schlag auf den Kopf und in die Magengrube auf einmal, dieser Satz löste in mir eine lange unterdrückte ohnmächtige Wut aus. Ich schaute mein Date ernüchtert an. Wie bitte? Was hat Du gerade gesagt? Eine anstrengende Frau? Er schaute mich mit einer Mischung aus Amüsement und Unsicherheit fragend an, er konnte nicht einschätzen, warum er mich offensichtlich tief getroffen hatte. Und dann lief ein Film ab.
Ich nehme mein Glas und schütte ihm den Riesling ohne Ansatz aber mit voller Wucht ins Gesicht, er springt auf, geschockt und fassungslos, ich renne zur Tür, er folgt mir, das ganze Restaurant glotzt, ich reiße mich los, er kann mir nicht folgen, ich renne und renne und die Tränen laufen mir übers Gesicht und dann bin ich daheim und schaue nach Mathilda, die in ihrem Kinderbettchen schlummert und ich werfe mich auf mein Bett und heule, schreie, schluchze, bin so verzweifelt wie schon lange nicht mehr und irgendwann holt mich der gnädige Schlaf.
Es war mein erstes Date seit der Trennung. Es lief gut. Dachte ich. Er war ein kultivierter Mann. Dachte ich. Er suchte nach einer „Frau mit Herz zum Pferde stehlen“. Dachte ich. Was ich nicht alles dachte und glaubte und hoffte in meinem Leben, alles falsch und unvollständig und nicht zu Ende gedacht.
Ich bin 39 Jahre alt, Eigentumswohnung in Düsseldorf, Finca auf Mallorca, ich fahre einen Porsche Cayenne und meine Tochter Mathilda, 8, besucht eine Privatschule. In meinem Innenarchitektur-Büro beschäftige ich zwölf Mitarbeiter und zwei Praktikanten. Es läuft gut. Sehr gut sogar. Mein Büro ist auf System-Gastronomie spezialisiert, die Zahlungsmoral ist besser als im privaten Segment, wo es wegen jeder Gardine Diskussionen und Zahlungsverzögerungen gibt. Außerdem kann man – wenigstens ab und zu – kreativ und ausgeflippt sein. Wobei das ausflippen gerade von meinem Mann ausgeht.
Mein Mann hat eine Affäre mit einem 22 jährigen polnischen Kindermädchen und ist ausgezogen. Ich bin ihm zu anstrengend. Anstrengend? Ich bin komplett selbständig, unabhängig, versorge unseren Haushalt und verdiene das Geld für unser luxuriöses Leben und er findet mich anstrengend! Es ist ein schreckliches, bitteres Klischee, so unfassbar absurd, dass ich es lange nicht wahr haben wollte – und vor allem auch nicht habe kommen sehen.
Wie auch? Bei meinem zeitintensiven Job! Ich gehe morgens um 7.30 Uhr aus dem Haus, bringe Mathilda zur Schule und fahre dann gleich ins Büro. Thomas, mein Mann, holt Mathilda ab, denn ich komme selten vor 19 Uhr nachhause. Einkäufe, putzen, waschen etc. erledigt unsere Perle, Frau Dubcek, sodass mein Mann tagsüber frei hat. Er würde mich jetzt wieder umbringen, weil ich das so darstelle. Er HAT nicht frei, er ARBEITET frei, stellt er bei jeder Gelegenheit klar.
Thomas ist Journalist. Wir lernten uns in der Uni-Cafeteria kennen, ich kannte ihn vom sehen, er war der Superstar im Semester, denn der er arbeitete für den Express und ist intelligent und belesen, mit einem süffisanten Humor, der mittlerweile leider einem beißenden Sarkasmus gewichen ist. Am Anfang unserer Beziehung war er ganz klar der stärkere von uns beiden. Eine Art Mentor und Manager, der mich unterstützte, vor allem auch finanziell. Meine erste Stelle war so mager dotiert, dass ich davon kaum leben konnte. Statt dessen gab es üppige Überstunden. Aber es war genau DAS Architektur-Büro, in das ich wollte und so nahm ich die Nachteile in Kauf.
Thomas fand eine Redakteursstelle bei einem Lifestyle-Magazin, das war ein Traum-Job mit vielen Reisen und Einladungen zu tollen Veranstaltungen, zu denen ich manchmal mit durfte. Ich war unfassbar stolz, wenn er mal wieder einen Filmstar oder Sänger zu einem Interview traf.
Wir heirateten auf Sylt, eine Traumhochzeit mit 80 Gästen und verbrachten die Flitterwochen in Thailand. Jeden Tag Sonne, Meer, phantastisches Essen und Sex.
Ich weiß nicht mehr, wann die Beziehungswaage kippte. Ich machte mich selbständig. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber Thomas, unterdessen zum Ressortleiter aufgestiegen, bestärkte mich in meiner Entscheidung. ER hat mich dazu überredet, mich selbständig zu machen. Und es ging schnell bergauf. Erste Praktikantin, erste Angestellte, erstes Büro, größeres Büro, nächster Auftrag, und so weiter.
Bei Thomas lief es weniger gut. Die Auflage der Zeitschrift sank und Thomas stritt sich häufig mit seinem Chefredakteur, einem übellaunigen Choleriker, über die weitere Ausrichtung des Magazins. Wir diskutierten stundenlang, tagelang, wochenlang, monatelang über seine Probleme. Es drehte sich alles nur noch um Thomas. Ich half ihm Ideen und Strategien zu entwickeln. Aber es änderte sich nichts, denn ER änderte nichts. Und irgendwann stumpfte ich ab, denn ich hatte ja selbst Hausaufgaben zu erledigen und Herausforderungen zu meistern, aber da fragte ich ihn nicht mehr, das erledigte ich nun selbst.
Jetzt wurde ICH diejenige, die Thomas managte. Meine Meinung: Thomas konnte sich unmöglich von seinem Chef herum kommandieren lassen. Er war doch ganz klar der bessere von beiden! Und so redete ich auf ihn ein, sich das nicht länger bieten zu lassen. Das war im Nachhinein vielleicht der größte Fehler meines Lebens.
Thomas kündigte im Zorn – und ich sorgte für uns. Denn er fand keinen adäquaten Job. Der Verleger hatte ihm nicht die Chefredaktion überantwortet, wie wir erwartet hatten. Und auch sonst gab es keine Angebote. Das machte aber nichts – dachte ich!!! – denn ich wurde schwanger mit Mathilda. Unser absolutes Wunschkind. Thomas konnte mir den Rücken frei halten und daheim beim Baby bleiben, während ich unser Geld verdiente. Ein Win Win Situation. Dachte ich….
Lesen Sie morgen: Thomas lernt beim Kindergeburtstag eine junge Frau kennen und verliebt sich…
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Schöner Artikel!