Der Anglerhut von Prada! Er stach mir ins Auge bei den Pressdays, was für eine Sensation, dieser süße kleine, obercoole, bunte, lustige, schräge, tolle „Bucket Hat“ aus lilafarbener Wolle mit dem neuen Prada Logo drauf. Und obwohl Prada eigentlich nicht so gern mit erwachsenen Frauen wie mir zusammen arbeitet, schaffte ich es dennoch, das gute Stück für ein Shooting zu entführen (und kaufte ihn mir später, als er im Geschäft lag, tatsächlich).
Der Anglerhut kam mit auf mein Lieblingsfestival, dessen Namen ich nicht nenne, weil ich befürchte, dass sie mich dort von der Liste streichen, denn es feiern zwar 100.000 Leute, aber die Karten sind auf Namen ausgestellt und Journalisten und Influencer werden gedisst. Ist trotzdem ein fantastisches Festival, sehr viel Spaß.
Jedenfalls war der Prada Hut dort eine Sensation. Wahrscheinlich dachten alle, der Hut sei eine Kopie von Prada, wegen des lustigen neuen Logos, jedenfalls fragten zig Raver nach dem Hütchen und ob sie es mal aufsetzten könnten – LOGISCH!
Unten: Frau Weber mit dem Anglerhut von Prada
Ich habe den Anglerhut seither nur noch für Fotos getragen. Ich kam mir damit…verkleidet vor. Im realen Leben. Für Instagram, wo man die Styles ein bißchen übertreiben muss, die Mode voran treiben will, war der Hut okay. Aber eben nicht für den Einkauf bei Edeka, beim Bummel über die Maximilianstrasse, beim Lunch im Brenners, beim Dinner schon dreimal nicht. Irgendwie….ja wie gesagt, ich kam mir verkleidet vor. Zu jung, zu cool. Alle guckten. Ich bin nicht die Zielgruppe sagte ich mir. Ich bin eine schicke Frau, keine Raverin.
Als nächstes kam der Hut meiner Freundin Frauke Gembalies. Ein wunderschönes Teil aus weißem Doubleface mit schwarzen Punkten. Hinreißend. Gembalies ist eine Marke der absoluten Oberklasse, Highend Luxus, fein, vornehm und das Gegenteil von Streetstyle. Ich bekam das elegante Traum-Teil als großzügiges Geburtstagsgeschenk und war außer mir. Meine Idee: ich sehe aus Audrey Hepburn in „Charade“( ihre Hüte waren übrigens von Givenchy). Okay, es ist vermessen wie Audrey Hepburn aussehen zu wollen. Es war diese leichtfüssige Eleganz, die mir vorschwebte. Hut auf und los geht’s. Es ging auch los. Aber nicht so, wie ich geplant hatte. Der Hut ist nämlich so geschnitten, dass er genau auf Augenhöhe endet, was schick aussieht – sehen kann man damit aber nicht. Oder nur wenig.
Und jetzt gehen sie mal in den nächsten Coffee Shop und bestellen…und das „Menu“ hängt oben an der Wand….
Unten: Der Hut von Frauke Gembalies…
Nächster Versuch. Die graue Seemanns Mütze von Dior. Ein Knaller schon auf dem Laufsteg, da war allen klar, es wird DAS Accessoires der Fashionistas – und wie immer nur auf Warteliste erhältlich oder gute Beziehungen und so weiter was man alles eigentlich vermeiden will als solvente Kundin. Und dann doch klaglos akzeptiert, was soll man auch machen, nicht kaufen….eine Option, stimmt.
Die graue Dior-Mütze hat ein kleines Schild, sie sitzt fest auf dem Kopf und man kann nach allen Seiten sehen. Modisch betrachtet ist sie eher klassisch-sportlich, als elegant oder cool (wie meine anderen Hüte). Ich trug sie vor allem zu Jeans-Looks, ein paar Mal auch zum Kleid. Es war der typische Influencer Look. Alle trugen plötzlich Seemannsmützen, nicht von Dior, aber von Zara, und wenn Sie mich fragen, ob das ein Unterschied ist, kann ich nur sagen, nein, optisch überhaupt nicht.
Zara ist gut fürs Portemonnaie, aber schlecht fürs Selbstwertgefühl. In Zara fühlt man sich wie Zara. Nicht besser, nicht schlechter. Es ist okay. Die ganze Wahrheit: ich fühlte mich auch mit meiner Dior Mütze nicht sonderlich besser. Immer noch das bekannte Gefühl. Alle gucken, Du bist verkleidet. Nicht Du selbst. Du gehst mit einer Seemannsmütze nicht zum Elternabend. Nicht zum Kundentermin. Nicht zum Steuerberater. (Von dem abgesehen sind die Haare platt. Abziehen der Mütze? Ausgeschlossen. )
Die Dior-Mütze war mir zu klischeehaft. Der Gembalies Kopfputz zu elegant. Der Prada Hut zu jung. Alles, was mit „zu“ beginnt, ist schlecht. Soll man lassen.
Aber Frau Weber gibt nicht auf. Die Chupka von Prada. Die aus der Werbung. Schwarzes Nylon, groß, dekorativ. Und? ZU unpraktisch, weil viel ZU groß…..
Sind alle Hut-Formen durch, gehts weiter mit Haarschmuck. Bei Gucci gibt’s die ironischen Kinderhaarspangen, die jetzt alle tragen. Und Prada hat einen überdimensionierten Haarreif lanciert. Wem das zu teuer ist, kann sich auch mit No-Name Produkten instagrammable inszenieren. Die Gucci Haarspange reicht für die Halbwertszeit von 2 Fotos Aufmerksamkeit, dann ist sie ZU gesehen.Und das ist Zu teuer. Jedenfalls bei vernünftiger Betrachtung.
Reality bites. Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren Hüte eine Selbstverständlichkeit. Damen trugen Hut. Der Hut war Ausdruck von Eleganz und Distinguiertheit. Ein Statussymbol. In den 70er Jahren wichen die Hüte kunstvoll um den Kopf gewickelten Tüchern. Und schließlich….. Hochzeiten, Taufen, große Sportevents….Hüte sieht man nur noch bei speziellen und wichtigen Ereignissen.
Mir geht das alles zu schnell mit den Hüten. Ich muss mich ganz ganz langsam ran tasten. Ich möchte erst mal sehen, wie Hüte an meinen Freundinnen aussehen. In meinem Umfeld. Ich war schon immer früh mit Trends unterwegs, aber ich bin in einem Alter (und an einer Position im Leben), wo man keine aufgeregte Instagram Fashionista sein will, kein Fashion Victim, kein Klischee einer Frau, die nichts im Kopf hat außer Shopping und dem neusten Trend hinterher zu hecheln.
Der Hut muss erstmal integriert werden in meine Garderobe. Es muss lässig, natürlich, selbstverständlich aussehen. Authentisch. Nicht diktiert. Ich muss mich damit wohl fühlen. Mich besser fühlen. Grandios fühlen. Dann trage ICH den Hut. Und nicht er MICH….
Unten: Annette Weber mit Seemannsmütze von Dior
Wie immer: Grandios geschrieben! I like!