Beitragsbild: Viky Rader mit „Ugly Sneakers“ von Balenciaga. Sie war eine der ersten, die diese „häßlichen“ Turnschuhe trug
Alle paar Jahre kocht ein Trend hoch, der ironisch gemeint ist, den Jugendliche lustig finden. Oft geht es um Accessoires. Plastik-Schuhe von Crocs, Gesundheitssandalen von Birkenstock, Opas Filzhut…und jetzt: seltsame Turnschuhe, die wie Bergwanderschuhe aussehen.
Und wie immer, wenn die Jugend einen neuen „Look“ feiert, stehen die Scouts der Modemarken und großen Designer parat und kopieren das ironisch gemeinte it-Piece, packen ihr Logo drauf und verkaufen es für teuer Geld an Menschen mittleren Alters, die sich damit ihre Jugend zu erhalten hoffen. Das funktioniert übrigens, schauen Sie mal bei Gucci oder bei Balenciaga, dort wo die getypten Tripple S Turnschuhe hergestellt werden. Sie sind immer ausverkauft, kosten ein kleines Vermögen und sind – ehrlich betrachtet – scheußlich und ehrlich aufgewogen: viel zu schwer. Aber egal.
Ich habe mittlerweile auch welche – aus purer Verzweiflung gekauft. Welche Sneakers soll man denn als erwachsene Frau auch anziehen? Wenn man sich null auskennt auf dem Gebiet?? Und eigentlich am liebsten in schicken High Heels unterwegs ist???
„Ugly Sneakers“ heißen die neuen In-Schuhe also, schon der Fachbegriff impliziert den Bruch mit den ästhetischen Gewohnheiten eines Menschen mit Stil und Geschmack. Und genau das ist beabsichtigt. Es geht um das Raue, das Gewöhnliche, das Krasse, es geht ums schockieren. „Ugly Sneakers“ wollen uns vor den Kopf stossen, uns wach rütteln aus unseren optischen Wohlfühl Oasen. Das Leben hat sich geändert, die urbanen Nomaden, junge Leute ohne Wurzeln, brauchen solche derben Schuhe für ihre Wanderschaft um den Globus. Es ist kein Zufall, dass diese Turnschuhe so gehypt werden. Turnschuhe sind für die Flucht. Vor was auch immer. Für die Flucht vor der Hektik, die Flucht aus dem Alltag, die Flucht vor dem Partner, die Flucht vor sich selbst.
Häßliche Turnschuhe passen zu nichts. Das ist die gute Nachricht. Man kann sie, nein, man MUSS sie einfach blind aus dem Schrank nehmen und genau zu dem Outfit kombinieren, das zufällig da liegt. Das kann ein Kleid sein, ein Rock, eine Jeans. Passt schon, bzw. passt nicht, aber das ist der Look. Keine Harmonie. Reibung!
Natürlich ist es ein Fehler, wenn man „Mode“ intellektuell betrachtet, erst mal verstehen muss, was will der Designer uns sagen, ratlos davor steht wie vor einem Meisterstück moderner Kunst, um dann vom Verkäufer den Leitfaden zu erhalten. Viel zu kompliziert.
Spüren muss man den Sneaker. Das Gefühl bekommen, dass er richtig ist für die aktuelle Lebenssituation. Wenn man vielleicht im Aufbruch ist. Kleine Brüche zu bewältigen hat. Neuanfänge. Dann – und nur dann – sieht er tatsächlich cool aus. Die Haltung der Trägerin, ihre Ausstrahlung ist entscheidend. Ich persönlich habe lange gebraucht, um mich für ein paar „Ugly Sneakers“ zu erwärmen, zu begeistern und schließlich zu entscheiden.
Ich war nicht die erste. Nicht in Deutschland, nicht in München, nicht in meiner Clique. Viky hatte schon längst ein paar Tripple S und am Anfang dachte ich nur: Oh Gott, wie sehen DIE denn aus?
Ich mag keine halben Sachen. Und deshalb habe ich mir auch keine Blümchen Turnschuhe angeschafft, irgendeinen schalen Kompromiss. Ich habe gewartet, bis ich sicher bereit war. Für DEN Sneaker.
Wie gesagt: er ist zu klobig, zu schwer, zu seltsam, aber genau dieses kleine Bißchen „zu“ macht ihn besonders und außergewöhnlich und deshalb trage ich ihn mittlerweile gerne. Er ist ein Showstopper. Und davon abgesehen einfach nur herrlich bequem…..
Unten: Annette Weber mit globigen XXL Turnschuhen…. Tripple S von Balenciaga
Das ist doch mal eine spannende Sichtweise. Ich finde, in Umbrüchen ist man ohnehin schon immer aufregend. Es ist für ein recht kurzes Zeitfenster alles möglich, man verlässt ausgetretene Pfade und wird wieder Abenteurer. Das steht allen, die darin eine Chance sehen.
Zum Foto: gefällt mir ausgezeichnet, vor allem die Kombi mit schwarz finde ich aktiv und zupackend. Ich sehe gern Mode, in der man sich unabhängig von Autos lange bewegen kann, damit meine ich nicht nur Schuhe. Hier machen die Schuhe den Eycatcher und die Beine länger und graziler – nur die Füße nicht, das aber insgesamt kein Problem ist. Das Gesamtbild ist stimmig und einnehmend. Ich bin kein Fan dieser Schuhe, aber dir stehen sie vermutlich auch deswegen, weil sie sich im Moment von dir eingeladen fühlen. Das passt wirklich.
Lieben Dank für den freundlichen und ausführlichen Kommentar. Unterdessen bin ich Turnschuh Fan geworden. An jedem Tag ohne offizielle Termine trage ich Sneakers. Ich fahre mit dem Fahrrad und beides zusammen ist herrlich. Lieben Gruß!