Unser Büro ist groß und elegant, es liegt in einer modernen Gewerbe-Ansiedlung im Münchner Süden. Wir sind 15 fest angestellte Architekten, 4 Interior-Designer, 3 Assistentinnen und etliche Praktikanten. Ich selbst bin für Aussenfassaden zuständig, Aluminium, Blech, Glasfaserzement, Holz, es ist nicht mein Traum-Gebiet, aber es wird dringend gebraucht und so habe ich mich darauf spezialisiert…..Katharina ist neu im Team. In meiner Unit. Sie arbeitet halbtags – gottseidank. Ich habe keine Idee warum man diese ahnungslose Person angestellt hat, sie ist eine Heimsuchung aus Naivität, Selbstüberschätzung, Schwatzhaftigkeit und Dummheit. Eine Quasseltante. Uff. Das war jetzt ganz schön viel. Aber es mußte raus.
Katharina war die letzten Jahre daheim bei ihren Kindern und wir fragen uns alle, warum sie da nicht geblieben ist!? In 10 Jahren hat sich die Arbeit eines Architekten komplett um 360 Grad geändert. Hallo Internet! Alles ist hochgradig systematisiert und läuft online, und Kathrin ist hilflos überfordert, sie kann die einfachsten Programme nicht bedienen, wahrscheinlich weiß sie nicht mal was 3 D ist.
Tut sie mir leid? Nein. Denn Katharina hält nicht nur den ganzen Verkehr auf, indem sie Dinge einfach nicht checkt und hundert mal nachfragt. Nein, das allerschlimmste ist, dass sie unglaublich gerne schwätzt.
Blablabla, es geht die ganze Zeit ununterbrochen. Man merkt ihr an, dass sie offensichtlich ein Nachholbedürfnis hat. Dass sie zuhause nicht zu Wort kommt. Was ich gut verstehen kann, denn sie redet wirklich nur Dummes Zeug. Uninteressante Dinge, Geplapper. Sie hat 3 Kinder und einen Mann, der irgendwas bei O2 ist, das lässt sie so richtig raus hängen, und berichtet im Detail, was für mega Deals ihr Superman wieder auf die Beine gestellt hat.
Und natürlich die Kinder! Superkinder, Einserschüler, wiev in Klavier, Geige, Hockey und Ballett und im Kunstkurs und in Latein und natürlich wird jede Glanzleistung der Kleinen uns in epischer Breite unter die Nase gerieben. Und die mega Hausfrau ist sie natürlich auch. Kocht jeden Abend ein Gourmet-Menu für ihre Liebsten – ich bin froh, wenn noch ein altes Joghurt im Kühlschrank steht.
Am Anfang hört man sich das ja noch an, aus Nettigkeit. Der neuen Kollegin eine Chance geben. Ich habe sogar versucht mit Katharina zu sprechen! Ein Gespräch zu führen!! Du sagst was, der andere antwortet und so weiter. Aber mit Katharina kann man nicht kommunizieren im Sinn eines Dialoges, sie hält ausschließlich Monologe. Und interessiert sich NULL für ihr Gegenüber. Keine Rückfragen, keine Gesprächspausen. Und irgendwann ist der Zeitpunkt vorbei, wo man sich ausklinken kann. Dann sitzt man da, wie Mogli vor der Riesenschlange Kaa und kann sich nicht mehr retten.
Fliehen? Versuche ich. Ich rette mich neuerdings in die Raucher Küche – dabei rauche ich garnicht. Aber es ist die einzige Möglichkeit Katharina zu entkommen. Sie arbeitet von 8 Uhr bis 12 Uhr und wenn sie weg ist, machen wir alle drei Kreuze.
Sie sagt aber auch wirklich törichte Sachen. Politisch ungeschickt. Ihr Mann sei der Meinung, dass man als Akademiker einen Mercedes fahren sollte, sonst hätte man was falsch gemacht. Danke für den Hinweis, wie trottelig wir alle hier sind, denn wir kommen mit den Öffis. Oder sie hält einen Vortrag über den Immobilienmarkt und wie dumm Mieter doch sind (WIR), denn SIE hat ja dieses tolle Haus gekauft und überhaupt, wie kann man denn nur auf einer Etagenwohnung leben ohne Garten mit Gemüsebeet?
Unbeliebt macht sie sich mit ihrer Angeberei. Angeblich war sie ja auch mal bei Herzog de Meuron in Basel, das ist das berühmteste Architektur-Büro der Welt. Wahrscheinlich hat sie dort als Putzfrau gearbeitet, lästern wir hinter ihrem Rücken, aber die Zeit dort ist ihr Fame to Claim und wir müssen uns ständig anhören wie toll man die Projekte dort betreut hat – wir Provinzheinis machen ja alles falsch!
Aus dieser Schweizer Zeit kennt sie auch noch unseren Chef, das verbindet die beiden und so ist Katharina quasi unkündbar – vermuten wir. Und sie lässt es uns spüren, diesen Draht zum Chef. Geschickt lässt sie seinen Namen immer mal wieder fallen, in einem scheinbaren Nebensatz. Aber die eigentliche Message ist natürlich: seid bloß nett zu mir, sonst petzte ich alles.
Alle, wirklich alle im Team hassen Katharina deshalb. Tobi, unser Praktikant, hat jetzt mal hinter ihr her geschnüffelt. Er kennt den Hockey Trainer der Tochter. Also: angeblich ist ihr Haus in Obermenzing wackelig finanziert und sie muss deshalb arbeiten. Angeblich trinkt der Ehemann und die Kinder, naja….
Gestern war ich mit Tobi auf einen Absacker in der Goldenen Bar. Da hat er mir das alles erzählt. Danach tat mir Katharina fast schon wieder leid. Wie traurig muss das sein, wenn man die Kollegen in vollem Bewusstsein so anlügt? Märchenstunden abhält. Theater spielt. Vielleicht rede ich mal mir ihr. REDE. Und Antwort.
Morgen…schreibt Katharina hier IHRE Sicht der Dinge…..