6.15 Uhr im Herzogpark, die ersten Lichter gehen an und langsam erwacht das Leben. Christine deckt den Frühstückstisch, vier Gedecke Gmundner Keramik, die mit den roten Skifahrern, die liebt sie im Winter, und dann schnipselt sie Obstsalat für die Zwillinge. Noch immer keine Nachricht von Manfred.
Seit 3 Tagen und Nächten ist Manfred nicht nach Hause gekommen, er hat eine Geliebte, er streitet es ab, aber Christine weiß es und die Spatzen der Stadt pfeifen es von den Dächern. Sie hat ihm zig Nachrichten hinterlassen, aber er ruft nicht zurück, er meldet sich nicht und nimmt sein Telefon nicht ab. Es ist ein einziger Horror, ein Alptraum, ein Psycho-Terror aus dem es kein Entrinnen gibt.
Sonst hatte er wenigstens eine verworrene Lügengeschichte präsentiert oder signalisiert, wann er nach Hause käme. Aber diesmal? Diesmal ist es ernst.
Christine steckt sich ein Stück glänzende Mango in den Mund, sie kauft die Mangos fertig geschnitten bei Feinkost Käfer, wo sie überhaupt alle Lebensmittel kauft. Jeden Vormittag besucht sie Feinkost Käfer, es ist ein Schaulaufen ihrer Schönheit und ihres Wohlstands. Die Verkäufer kennen sie beim Namen, machen ihr Komplimente oder fragen nach den Zwillingen. Christine genießt das. Die Aufmerksamkeit, die netten Worte, die bewundernden Blicke der anderen Kunden, die sich heimlich nach ihr umdrehen. Das ist doch die Frau von…..
Die Frau von…..von einem Ehemann, der sie nicht mehr liebt, noch schlimmer, der sie nicht mehr respektiert. Der Christine irgendwann als hübsche Dekoration an seine Seite nahm und im Lauf der Jahre das Interesse verlor.
Am Anfang ihrer Beziehung war Christine gerne Dekoration. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die ihr mit Manfred, dem bekannten Manager und Multimillionär, widerfuhr. Manfred war großzügig, er stattete sie aus mit teuerer Kleidung, mit Schmuck, mit Taschen und mit Autos, sie fuhr immer ein großes schickes, repräsentatives Auto, auch ihr aktueller Cayenne hat eine Sonderlackierung und wenn sie damit die Zwillinge in die Schule fährt, dann gucken alle und wissen, da kommt eine Frau, die es geschafft hat im Leben.
Christines Leben. Es liegt wie ein Scherbenhaufen vor ihr, und sie denkt wieder und wieder nur das eine: Was, wenn er sie verlässt? Was soll aus ihr werden? Sie ist 41 Jahre alt, sie hat weder einen Beruf noch einen günstigen Ehevertrag, sie hat nicht einmal einen neuen Mann in der Hinterhand. Christine ist treu – im Gegensatz zu Manfred.
Sie wusste, WEN sie heiratete: Manfred, den notorischen Fremdgeher. Auch sie war ja einst seine Affäre. Am Anfang der Ehe, da hielt sich seine Untreue in Grenzen, dann kamen die Zwillinge, sie war beschäftigt…..aber irgendwann entdeckte sie zufällig in seinem Sakko eine Hotelrechnung, die sie nicht zuordnen konnte. Ein Wochenende, an dem er – angeblich – in Zürich einen Vertragsmarathon abschließen wollte. Aber die Rechnung war aus Salzburg, vom Schloßhotel Fuschl.
Eine wachsame Frau ahnt, wann ihr Mann sie betrügt. Christine checkte Manfreds Handy, es ist heute verschlüsselt, aber damals… schrieb sie sich eine unbekannte Nummer auf, die er mehrmals angerufen hatte…und wußte Bescheid. Hätte sie sich von ihm trennen sollen? Die Zwillinge waren klein, ein Bauplatz gekauft, es kam zu einem fürchterlichen Streit, es flossen Tränen und Manfred gelobte Besserung und war die nächsten Monate aufmerksam und freundlich.
Davon kann Christine heute nur träumen. Es ist nicht einmal so, dass sie sich streiten und dass Manfred sie schlecht behandelt. Er behandelt sie gar nicht. Er sieht durch sie durch, er beachtet sie nicht, das ist viel schlimmer. Morgens am Frühstückstisch die üblichen Floskeln, dann verlässt Manfred das Haus und kommt spät aus der Arbeit oder sie gehen essen mit Geschäftspartnern, aber auch dann sprechen sie nie miteinander. Das letzte Mal Sex? Manfred war nie ein guter Liebhaber, sie war froh, als er sie nach der Geburt der Kinder bald in Ruhe ließ, aber jetzt? Der gemeinsame Kitt, das, was Manfred und Christine noch zusammenhält, sind die Zwillinge, glaubt sie, hofft sie, betet sie, denn sonst….
Christine weckt die Zwillinge, sie sind ihr ganzer Stolz, zwei süße Mädchen, Charlotte und Konstanze, 11, und in der fünften Klasse einer internationalen Privatschule. Das Zimmer der Zwillinge hat rosafarbene Tapeten und kleine weiße Himmelbetten, Spezialanfertigungen eines bekannten Münchner Schreiners. Selbst das Kinderbadezimmer ist rosa gehalten und auch das „Spielzimmer“, in das eines der Mädchen ziehen wird, so bald sie größer sind und nicht mehr gemeinsam in einem Zimmer schlafen möchten. Das „Kinder Himmelreich“ war Christines Aufgabe beim Hausbau, sie legte großen Wert auf die Ausstattung und traf sich oft und auch ohne Manfred mit dem Interior Designer, sie genoss die schönen, kreativen Sunden mit dem coolen Mann, der ihr Latte Macchiato mit Sojamilch servierte und mit ihr Tapetenbücher und Farbfächer wälzte.
Die Zwillinge sind sofort hellwach und kreischen, Christine mag das nicht und so schimpft sie die Mädchen, die jetzt erst recht durcheinander schreien. Zähneputzen ruft Christine vergeblich und nochmal und nochmal und es ist ihr schon wieder alles zuviel, sie würde am liebsten ins Bett zurück und sich verstecken unter der Decke und dort bleiben….
Noch immer keine Nachricht von Manfred, Christine schaut auf ihr Handy, sie kann sich auf nichts mehr konzentrieren, sie denkt immer nur an Manfred, Manfred, Manfred. Sie rennt ins Badezimmer und sucht nach der letzten Tavor, sie hat noch eine, irgendwo, doch nicht im Bad und auch nicht auf dem Nachttisch, Christine wird verrückt vor Angst, wo ist die Scheiß Tavor, sie liegt liegt in der Küche, direkt neben der leeren Gin Flasche.
Frau Ostowic, die Haushälterin, kommt und stellt die Croissants auf den Tisch, Manfred liebt frische Croissants und Christine behauptet, dass ihr Mann bereits bei einem Geschäftstermin sei. Die linke, leere Bettseite hat Christine vorher verwuschelt, damit Frau Ostowic nichts merkt.
Frau Ostowic will wissen, ob die Handwerker schon angerufen haben, die die Umwälzpumpe vom Schwimmbad reparieren sollen, sie erzählt irgendwas vom Bäcker, schwatzt über das Wetter draußen und plappert, plappert, plappert, lauter unwichtiges Zeug, Christine hört schon gar nicht mehr zu.
Sie schluckt die allerletzte Tavor, heimlich im Bad. Sie wird die Zwillinge heute nicht zur Schule bringen, sie wird nicht aus dem Haus gehen, sie wird nicht Auto fahren, sie wird überhaupt keinen einzigen klaren Gedanken fassen können.… und dann kommt eine SMS von Manfred.
Nächste Folge: Die Aussprache
Fotoquelle: Instagram
Das ist so gut – fantastisch!
Und das zieht mich voll runter
Ich warte ungeduldig auf Teil 3!
Hallo liebe Gesine, Danke für den Kommentar. Mich ziehen diese traurigen Geschichten auch immer emotional nach unten. Doch dann überlege ich mir, wie gut es MIR doch geht, dass ich keine Gefangene in meinem eigenen Leben bin. Ich werde mal ein paar Frauen treffen und interviewen, die sich mit Kraft und Happy End aus schwierigen Situationen heraus manövriert haben. Erstmal Gruß, herzlichst, Annette Weber
Ich warte auch ungeduldig auf Teil 3….eine Geschichte, die so viele -falsche-Vorstellungen entzaubert !
Warte gespannt auf die Fortsetzung, hoffe bald!
Danke liebe Annette Weber für Ihre tolle Seite, ich schau jeden Tag vorbei
und verschlinge die Artikel!
Schönes Wochenende wünscht
Monika
Hallo liebe Annette Weber!
Wie geht es denn weiter mit Christine im Herzogpark?
Liege in Kapstadt in der Sonne und brauche dringend
Lesestoff. Sie haben es so spannend gemacht, nun lassen Sie uns doch an der Aussprache auch teilhaben. Oder sollte die pünktlich zum Valentinstag erscheinen???
Liebe Barbara Töpfer, Christine ist getrennt, ich kenne natürlich die ganze Story aber komme nicht dazu, sie weiter auf zu schreiben. Ich überlege auch die „Gegenseite“ mal zu Wort kommen zu lassen. Der Ehemann ist nämlich gar nicht sooo ein Scheusal, Ehrlich gesagt, ist er von weitem betrachtet (wir gehen zum Skifahren) ein super Typ. Aber vielen vielen Dank für die ermutigenden Zeilen!! Viel Spaß im Urlaub, Ihre Annette Weber