Heini ist eigentlich ein toller Mann. Wenn man ihn neu kennen lernt. Natürlich heißt er nicht Heini, sondern Heinrich, aber dieser Spitzname, der ein bißchen abfällig klingt, passt ideal zu seinem Charakter. Ich verliebte mich in Heinrich aber ich bekam…einen Heini! Ein Goldener Käfig.
Ich mochte schon immer ältere Männer, ich kann mit Gleichaltrigen nichts anfangen. Sie sind unreif, haben Flausen im Kopf und können Dir nichts bieten. Dachte ich damals. Ich lernte Heinrich bei einem Abendessen kennen. Was für ein Mann! Witzig und weltgewandt, souverän und intelligent und mit einem wahnsinnigen Lifestyle. Die 25 Jahre, die Heini älter ist als ich, dieses gewaltige Viertel Jahrhundert, es machte mir damals nichts aus. Im Gegenteil, ich fand es toll!
Heini kommt aus einer sehr bekannten Deutschen Familie, seinen Nachnamen kennt jedes Kind. Ich bin ein Provinz Mädchen aus der Nähe von Aachen, aufgewachsen an der Holländischen Grenze. Meinen Eltern gehört eine Bäckerei Kette, wir haben einen gewissen Wohlstand – aber nicht den Reichtum von Heini. Es war nicht das „Geld“ weswegen ich mich in Heinrich verliebte. Oder nicht nur. Ich war damals blutjung, 23 Jahre alt, studierte Betriebswirtschaft und modelte nebenbei. Mein damaliger Freund, auch schon 15 Jahre älter als ich, war der Orthopäde von Heini. So lernten wir uns bei jenem Abendessen kennen.
„Daten“ mit älteren Männern funktioniert anders als mit Gleichaltrigen. Tanzen gehen, Nächte durch zechen, dass alles fällt flach. Es war Heinis Sekretärin, die mich an rief und unser erstes Rendez-vous „verabredete“. Sie fragte nicht mal, ob ich Zeit hätte, der Termin wurde mir quasi zugeteilt. Der gnädige Herr wünscht Sie nächsten Mittwoch zum Abendessen…. damals fand ich das sexy, heute weiß ich, es war der Vorgeschmack zu dem Goldenen Käfig in den ich mich die nächsten Jahre begeben würde.
Nach dem dritten „Date“ verließ ich den Orthopäden und zog zu Heinrich in sein atemberaubendes City-Appartement, nur eines von vielen Luxus-Behausungen. Es war sofort etwas festes mit uns. Mich beeindruckte Heinis Sicherheit, schnelle Entscheidungen zu treffen. Gleichaltrige schwanken immer hin und her, bei Heini war das anders. Er weiß immer genau, was er will. In Wahrheit ist er natürlich ein Diktator, der nur einen Weg duldet: seinen. Später bereitete mir dieses immer alles bestimmen wollen die allergrößten Probleme. Ich fühlte mich zunehmend entmündigt.
Doch als wir uns kennen lernten, sah ich alles noch rosarot. Heini sah damals noch sehr gut aus. Er hatte volles Haar mit grauen Schläfen, sein Körper war schlank und in Schuß. Ich mochte auch seinen konservativen Style, seine Maßhemden, die rahmengenähten Schuhe, das kannte ich alles nicht und fand es schick und erwachsen.
Heini legte mir die Welt zu Füssen. Den ersten Sommer pendelte ich mit ihm zwischen Düsseldorf, seinem Haus in London/Mayfair und seiner Finca auf Mallorca. Ich schwebte auf Wolke sieben. Jeder Tag war wie Geburtstag. Abends kamen Freunde, die ich aus der Bunte oder der Gala kannte. Oder wir gingen in teuere Restaurants essen. Und weil ich keine passende Garderobe hatte, wie Heini fand, gingen wir shoppen. Das erste Mal bei Chanel! Heini kaufte mir ein beigefarbenes Tweed-Kostüm und meine erste Luxus-Tasche, die schwarze, gesteppte 2.55. Ich fühlte mich wie Pretty Woman.
Heini war großzügig. Er kaufte mir ausgesprochen viel. Aber natürlich immer nur das, was ER gut fand. Nie das, was mir gefiel – oder zu meinem Alter gepasst hätte. In meiner Ehe hatte ich dann mit den meisten Verkäuferinnen einen Deal. Heini suchte mir im Geschäft die Sachen aus, die ihm gefielen – und ich tauschte sie danach wieder um. Ich durfte weder Jeans noch einen modischen Rock tragen. Heini mochte mich konservativ. Er stattete mich bei den teuersten Marken aus, Hermès, Ferragamo, Ralph Lauren. Und er kaufte mir Schmuck und teuere Uhren von Cartier, Bulgari und De Grisogono.
Ich weiß, es klingt undankbar. Aber mit 20 will man auch mal jung aussehen. Und nicht wie 60! Heini liebte mich im kurzen, schmalen Rock, mit Pumps und Seidenbluse und geföhnten Haaren. Immer. Auch am Wochenende. Wir waren ja nie allein. Immer waren Freunde da. Alle wesentlich älter als ich. Und die Gesprächsthemen, die ich am Anfang noch spannend und glamourös fand, kamen mir am Ende unserer Ehe einfach nur alt und langweilig vor. Und dann schlich auch immer Heinis Personal um uns herum. Allen voran Frau Mühlberger, seine Privat Sekretärin, die ein sadistisches Vergnügen daran fand, meine Kreditkartenabrechnungen zu sezieren und mich bei jedem Posten aus zu quetschen, was das war, ob es nötig gewesen sei – als ob es IHR Geld war, dass ich aus gegeben hatte und nicht das von Heinrich?!
Personal ist einerseits toll. Du musst nichts machen, keinen Kaffeetisch decken, keine Wäsche waschen, nicht zum Supermarkt fahren. Aber Du kannst dich auch nie mal gehen lassen, in der Nase bohren, zur lauten Musik tanzen oder einfach nur komplett verschlampt in einer Jogginghose auf der Couch liegen und 10 Folgen Gossip Girl gucken.
Wir hatten Wohnsitze in Düsseldorf, Zürich und London und Ferienhäuser in Kitzbühel und Mallorca. Das heißt: ständig pendeln, immer auf Achse. Unser Jahresplan war fest geregelt und richtete sich nach den Events, die für Heini wichtig waren. Die Chelsea Flower Show in London, die Art Basel, Formel 1 in Monte Carlo, Cala di Volpe Gala in Sardinien, Hahnenkamm Kitzbühel, Oktoberfest München, Frankfurter Opernball, Wimbledon. Das einzige was ICH durchsetzen konnte, war unser jährlicher Paris-Trip im Oktober während der Pret-a-porter Schauen. Wir wohnten dann im Hotel Plaza Athenee und lunchten im L’Avenue und betrachteten die bunten, lustigen und verrückt angezogenen Modeleute, die mir so herrlich frei und unabhängig vor kamen.
Heini ging dann mit mir shoppen zu Chanel oder Dior, er genoss es, denn es war eine Machtdemonstration. Und hinterher bekam er dafür Sex. Es war immer das gleiche Schema. Zum Schluß unserer Ehe kam ich mir wie eine Prostituierte vor. Er kaufte mir was und bekam im Anschluß… Sex mit einem wesentlich älteren Mann ist nicht automatisch wesentlich besser als mit einem Gleichaltrigen. Im Gegenteil. Es gibt da einen gewissen Generationen Gap, ältere Männer sind nicht so entspannt und experimentell, sie haben manche Dinge einfach nicht drauf. Zumindest war das bei Heini so. Ich möchte auf dieses Thema eigentlich gar nicht eingehen. Wenn der Sex gut ist, macht er 20 Prozent einer Ehe aus. Ist er schlecht, wie bei uns, macht er 90 Prozent aus. Und je öfter Heini Sex wollte, desto mehr mußte ich mich überwinden, fast übergeben vor Ekel, denn er roch irgendwann auch nicht mehr sexy oder begehrlich..sondern nach altem Mann. Doch je mehr Ausreden ich erfand, desto aggressiver wurde Heini, eine Todesspirale.
Ich hätte gerne Kinder gehabt. Lange glaubte ich, dass ein Baby vielleicht unsere Ehe retten könnte. Heinrich hat 3 Kinder aus früheren Beziehungen, die leben bei den Müttern in New York bzw. in Monaco, ich bekam sie selten zu Gesicht. An Weihnachten, Ostern und an den Geburtstagen verschickte Frau Mühlberger große Geschenke. Und zu Heinis Geburtstag besuchten uns alle in London. Das wars dann auch mit Nähe und Beziehung. Liebt Heinrich seine Kinder überhaupt? Liebt er IRGENDWEN überhaupt? Ich weiß es nicht. Es drehte sich ja alles immer nur um ihn, seine Wünsche, seine Pläne, seine Befindlichkeiten.
Heini ist ein schlimmer Hpypochonder. Jeden Tag ein neues Zipperlein, dass er zum Drama ausweitet. Reiche Menschen, also wirklich reiche Menschen, so wie Heini, die arbeiten ja nicht. Die haben eine Vermögensverwaltung. Mit offiziellen Staff und diversen Büros, das schon, aber sie haben keinen normalen oder geregelten Arbeitsalltag. Also dreht sich alles immer nur um sie selbst. Und um die Gesundheit. Der kleinste Schnupfen? Lebensbedrohlich. Und wenn ich einmal etwas hatte, keine Gnade. Ich hatte einen Abgang, kurz vor unserem dritten Hochzeitstag. Der erste von Drei, dann entschloss ich mich, die Pille zu nehmen und meinen Kinderwunsch zu verschieben. Dieses ganze Thema, dieses große zentrale Thema im Leben jeder Frau und jeder Familie, ich mußte es mit mir selbst ausmachen. Heini wollte davon einfach nichts wissen. Er ignorierte es, benutzte es sogar gegen mich und begann abfällige Bemerkungen zu machen. Am Tag des Abgangs, ich lag im Bett, weinte, war fertig und verzweifelt, beorderte er mich ins Hakkasan, das ist ein schickes Restaurant in London. Seine Frankfurter Banker waren in der Stadt, er führte sie aus. Und dann erzählte er vor diesen fremden Menschen, vor seinen Angestellten, diesen Leuten, die ich nicht kannte, von meinem Abgang. Von dieser intimen, schrecklichen, hoch persönlichen und emotionalen Angelegenheit! Er machte sich lächerlich darüber, ha, wie lustig! Er hatte zu viel getrunken, wie so oft, aber Alkohol ist keine Entschuldigung. Ich habe mich geschämt, wie nie in meinem Leben.
Von da an ging’s bergab. Heini wurde immer giftiger. Je älter er wurde, desto gemeiner behandelte er mich. Respektlos. Als mein kleiner Bruder uns in Mallorca übers Wochenende besuchte, kam es zu einem ersten Total-Ausfall. Heini hatte den ganzen Tag getrunken und war leicht aggressiv. Und als wir beim Abendessen saßen, beschimpfte er meinen Bruder – wieder vor versammelter Mannschaft – als Schmarotzer. Mein kleiner toller Bruder, der so fleißig bei meinen Eltern in der Firma arbeitet und Verantwortung übernimmt, dieser liebste und wichtigste Mensch ein Schmarotzer? Mein Bruder fragte nur kurz: Wie bitte? Und dann stand er auf und zog in der Nacht noch in ein Hotel und ich kam mit.
Blumen, Geschenke, Entschuldigungen, auch das ist irgendwann ein Schema, das man nicht mehr ertragen kann. Ich wollte seine Entschuldigungen nicht mehr. Nicht seine Entschuldigungen und nicht seine Versöhnungsgeschenke. Was nützt mir eine neue Kelly Bag, wenn mein Mann zu seinem Tennistrainer sagt, ich sei eine Hure, er könnte mich buchen, wenn er wolle. Oder zu seinem Kunsthändler, ich hätte so schrecklichen Mundgeruch, dass er mich nicht mehr küssen könnte. Lauter so Sachen sagte er. Plötzlich und ohne Vorwarnung. Meist nach Alkoholkonsum. Aber man kann Heinis Ausfälle nicht nur auf den Alkohol schieben. So viel trinkt er dann auch wieder nicht. Und die Adressaten? Die lachten mit Heini, da bezog keiner mal Stellung für mich, die waren ja von ihm abhängig.
Reiche Menschen haben keine Freunde, die ihnen mal die Meinung geigen. Die ehrlich mit ihnen sind und ein moralisches Korrektiv bilden. Reiche Menschen haben eine Armee von Speichelleckern um sich, die ihnen nach dem Mund reden. Die sich in ihrem Glanz sonnen und den goldenen Lifestyle gerne mit nehmen. Bezahlte Freunde sind das. Schönwetter Bekannte.
Ich verließ Heini an meinem 33. Geburtstag. Ich hatte meine Freundinnen zu uns eingeladen und weil er darauf keine Lust hatte, sollte ich sie wieder ausladen. Es war die letzte in einer langen Reihe von Kränkungen. Eine zu viel, das Faß war nicht voll, es war über gelaufen.
Die Scheidung verlief kurz und schmerzhaft. Heini war unglaublich gekränkt, weil ich ihn verließ und setzte alles daran, mich ohne Abfindung aus der Ehe zu verabschieden. Es gelang ihm. Unsere Eheverträge waren von seinen Anwälten angefertigt und die kannten die Schwachstellen. Für Heinrichs Vermögensverhältnisse bekam ich also ein Butterbrot zugesprochen. Aber es war mir egal. Ich wollte einfach nur noch frei sein. Atmen können. MEIN Leben leben. Ohne goldenen Käfig.
Hatte ich Zukunftsängste? Und wie! Viele Nächte lag ich wach und grübelte. Was sollte aus mir werden? Ich habe nie richtig gearbeitet. Und mit 33? Ist es auch ganz schön spät, nochmal von vorne anzufangen. Befürchtete ich. Aber alles erschien mir angenehmer, als bei Heini bleiben zu müssen. Lieber putzen gehen. Aber ich mußte nicht putzen gehen. Ich fand einen Job in einer Immobilien Agentur. Da bin ich noch heute.
Ich bin jetzt 36 und lebe in Wien. Ich habe einen netten Freund, einen Arzt, zwei Jahre älter als ich und völlig „normal“. Wir leben wie andere Menschen auch. Ich gehe einkaufen, koche abends und am Wochenende kuscheln wir gemeinsam auf dem Wohnzimmer Sofa. Nie hätte ich gedacht, dass ich ein bürgerliches Leben derartig glamourös finden kann!
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