Verliebt, verlobt, verkracht
Er sagt:
Beim nächsten Date stand Charlie mit einem großen Koffer vor meiner Tür. Später haben wir oft darüber gelacht, dass sie ernsthaft dachte, sie sollte einziehen. Ich hatte ihr meine Hilfe angeboten, ja, aber gleich einziehen? Aber wie sie da stand, so süß und hilflos…versprach ich ihr, dass sie Weihnachten und Silvester bleiben konnte. Ich war ja sowieso nicht da, meine Familie feiert Weihnachten immer auf unserem Bauernhof in Tirol. Außerdem gab es Frau Jellbeck, meine Haushälterin, die täglich kommt und aufpasst. Frau Jellbeck ist rein wirtschaftlich betrachtet ein Verlustgeschäft. Ich bin ja viel zu selten in München, um eine Haushälterin täglich zu beschäftigen. Aber Frau Jellbeck ist eine Perle und hat drei schulpflichtige Söhne. Jedenfalls ist nicht nur meine Wohnung hyper-gepflegt, sondern auch unsere Dachterrasse. Besonders im Winter, wenn die Bäume mit kleinen Lichtern verziert sind, die Tannenzweige in den Kästen stecken und die Möbel mit dicken Schaffellen bedeckt sind. Ich führte Charlie hinaus in den Münchner Nacht-Himmel. Wir tranken rosefarbenen Ruinart, den mochte sie gerne, und redeten über ihre Mädchenprobleme mit der Model-WG und den aufdringlichen Booker. Ich gab ihr Ratschläge, die sie gerne annahm. Es rührte mein Herz, wie dankbar sie war. Und es lenkte mich von meinen eigenen Problemen ab, mit dem Stress mit der Fertigung in Rumänien. Dieses Wochenende verbrachten Charlie und ich fast ausschließlich im Bett. Frau Jellbeck hatte auf dem Viktualienmarkt mal wieder zu viel eingekauft und so kochte ich für uns und machte Frühstück und kochte, und sie lachte und erzählte und lachte, das ging das ganze Wochenende so und natürlich hatten wir alle paar Stunden ausgiebigen Sex. Als ich Montags nach Bukarest flog, auf den letzten Drücker, war ich ein bißchen verknallt.
Sie sagt:
Ich schleppte meinen schweren Koffer durch die Kälte und durch die ganze Stadt und dann das: Carsten guckte verdutzt als ich mit dem Teil in der Tür stand. Es war ihm richtig anzusehen, wie er um Fassung rang. Ich wäre am liebsten umgekehrt. Aber Carsten ist ein Gentleman. Und sagte, ich könne sehr gerne bleiben, er sei sowieso über Weihnachten verreist. Dann gingen wir auf seine Dachterrasse, es war wie in einem Weihnachts-Märchen. So romantisch. Ich erzählte ihm von meinen Problemen in der WG, er hörte mir zu, gab mir tolle Ratschläge. Er war aufmerksam. Das tat mir gut. Das ganze Wochenende blieben wir im Bett, guckten House of Cards oder hatten Sex. Oder er kochte. Sein Kühlschrank war diesmal voller erlesener Lebensmittel. Vielleicht hatte er ja doch damit gerechnet, dass ich einzog. Alles war smooth bis Montag morgen. Carsten hatte verschlafen und war überhastet zum Flughafen aufgebrochen. Er mußte nach Polen oder Ungarn. Ich ließ ein Bad ein und machte es mir gemütlich, als die Tür aufging und eine wirsche, häßliche, schlecht gekleidete Frau vor mir stand. Ich kann sie bis heute nicht leiden und bin auch sicher, dass SIE es war, die damals den Zettel mit meiner Telefonnummer weg geworfen hatte. Frau Jellbeck. Die Bosheit in Person. Wir zickten uns sofort an. Wer sind SIE, nein wer sind SIE und so weiter. Aber nicht mit mir, Du blöde Putze, dachte ich. Gleich zeigen, wer man ist. Ich machte ihr also unmissverständlich klar, dass ICH die neue Chefin war.
Er sagt:
Weinachten verbrachte ich mit meinen Eltern, meiner hochschwangeren Schwester und deren Ehemann wie immer in St. Johann in unserem Bauernhof. Es ist rustikal und gemütlich dort und sehr entspannt. Meine Schwester konnte mit dem Babybauch nicht Ski fahren, es lag ohnehin wenig Schnee. Wir gingen stundenlang zusammen spazieren und redeten. Ich dachte viel nach. Ich war jetzt 38 Jahre alt. Erwachsen. Ein erfolgreicher Geschäftsmann. Einerseits. Andererseits fühlte ich mich noch jung für eine eigene Familie. Aber: Worauf hoffte ich? Täglich telefonierte ich mit Charlie. Unsere Gespräche waren heiter und süß. Ich freute mich richtig darauf. Sie war in München in meiner Wohnung geblieben und schwärmte, wie wohl sie sich fühlte. Gerne doch, dachte ich, so leicht kann man ein Mädchen glücklich machen. Silvester gab es traditionell ein Fondue und nach dem Feuerwerk Blei gießen. Normalerweise wäre ich todmüde ins Bett gefallen. Aber irgendwie dachte ich, das kann’s doch nicht gewesen sein. Den ganzen Urlaub nur daheim. Meine Schwester fuhr mich ins Take Five, die angesagte Disco in Kitzbühel. Und da sah ich sie: Charlie. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich fing an zu zittern. Was machte Charlie denn HIER? Vor allem, ohne dass ich es wußte und wer war überhaupt der Typ an ihrer Seite? Ich war verwirrt, verärgert, geschockt aber auch glücklich sie zu sehen und dann erblickte sie mich und bahnte sich den Weg zu mir und fiel mir in die Arme und heulte wie ein Schloßhund. Von da an waren wir fest zusammen.
Sie sagt:
Carstens Wohnung war zu schön, um sie nicht zu nutzen. Ich lud schon am ersten Nachmittag meine Freundinnen aus der WG ein. Die haben vielleicht geguckt. Wir plünderten Carstens Kühlschrank mit dem roséfarbenen Ruinart und verspeisten die Fois Gras vom Wochenende. Wir guckten stundenlang Netflix und die Mädels blieben über Nacht. Das ging die ganze Woche so. Morgens kam Frau Jellbeck, da brach ich zum Yoga auf, und wenn sie weg war, kamen die Mädels zu Besuch und später auch Tobi und der Rest der Truppe. Wir hörten Musik und tanzten auf der märchenhaften Dachterrasse. Eine ausgelassene Party. Carsten hatte am Telefon ausdrücklich gesagt, dass ich mich wie daheim fühlen sollte. Wenn er wüßte, wie es bei mir daheim aussieht! Spießig und muffig. Meine Mutter ist in zweiter Ehe mit einem braven, stinklangweiligen Musik-Lehrer verheiratet, wir haben ein angespanntes Verhältnis. Ich blieb also lieber in München. Und organisierte ein Weihnachts-Dinner. Und landete prompt mit Tobi im Bett. In Carstens Bett. Ich hatte ein rabenschwarzes Gewissen. Was sollte ich Carsten sagen? Sollte ich überhaupt etwas sagen? Ich freute mich immer auf unsere liebevollen Telefonate. Carsten war wie ein großer, kluger, beschützender Bruder. Tobi ein Depp. Aber gut aussehender Depp. Und mein Booker. Ich war beruflich von ihm abhängig. Ich verschob die Entscheidung, ob ich Carsten die Wahrheit sagen sollte, auf Januar. Und erlebte die krassesten und aufwühlendsten Tage meines Lebens. Denn Tobi blieb. Wir hatten ständig Sex, überall, sogar in der Küche. Aber Tobi trank auch unendlich viel, schon tagsüber, und wurde dann aggressiv. In der Nacht zum 30.Dezember gab es riesigen Zoff zwischen uns und Tobi rutschte die Hand aus. Ich schlug zurück, wir prügelten uns. So kamen wir komplett fertig Silvester in Kitzbühel an. Dort wollte Tobi einen Filmproduzenten treffen, der aber nie auftauchte. Meine angebliche Karrierechance, es gab sie nicht. Statt dessen wurde ich beschimpft und angeschrien, es war die Hölle und als ich dachte, dass dieser miese Abend in der Kitzbüheler Disco der schlimmste meines Lebens war..sah ich Carsten. Keine Ahnung, warum er da war, aber er war mein Retter.
Wir Lesen Sie morgen: Eine feste Beziehung, die Ex und seine spießigen Freunde…