Dienstag morgen, 8.30 Uhr, München, Nord-Schwabing. Ich führe Rubi Gassi, meinen kleinen Mops. Ich bin allein auf der Strasse, die in einer ruhigen Wohngegend liegt, ein paar Meter nur zum Englischen Garten. Vis à vis wird ein Haus saniert, es ist eingekleidet mit einem Baugerüst, darauf sitzen Bauarbeiter und starren mich an.
Ich bin eine attraktive Frau, aber das kann man nicht sehen, denn ich trage einen verwitterten Jogginganzug und eine Mütze. Einer der Bauarbeiter fängt an durch die Zähne zu pfeifen, er pfeift mir hinterher und bald stimmen die anderen mit ein. In Moskau, meiner Heimat, ist dieses hinterher pfeifen unbekannt, aber ich weiß, dass es in südeuropäischen Ländern gängige Praxis ist und als Kompliment gilt. Ich empfinde es aber nicht so.
Die Bauarbeiter machen jetzt grunzende Geräusche und schnalzen mit den Zungen. Ich reagiere nicht. Ich konzentriere mich darauf, keine Angst zu bekommen. 50 Meter bis zum Englischen Garten, die Strasse ist menschenleer, nicht mal ein verspätetes Schulkind oder ein Radler unterwegs oder wenigstens ein durchfahrendes Auto, das ich im Notfall anhalten könnte, um Hilfe zu bitten. Mein Herzschlag rast. Ich bin allein und schutzlos. Das wird mir in diesem Moment bewußt und so steigt Panik in mir auf.
Jetzt klatschen einige der Bauarbeiter ihre Hände dumpf zusammen, andere rufen etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Mein Adrenalinpegel ist am Anschlag. Ich habe Angst. Wahnsinnige Angst, in meinem Kopf spielt sich der Film der Kölner Silvesternacht ab, ich laufe schneller und schneller und schließlich renne ich panisch zur Ungererstrasse, diese chronisch verstopfte Hauptverkehrsader, deren stockender Berufsverkehr mir heute als rettendes Ufer erscheint.
Ich lebe noch, sonst könnte ich ja diese Zeilen nicht schreiben. Aber ich habe die Geschichte abends meinem Mann erzählt, der darüber nur den Kopf schüttelte und meine Ängste nicht nachvollziehen konnte. Was hast Du denn, die wollten halt Aufmerksamkeit, sich bissl wichtig machen, das ist doch eigentlich schmeichelhaft, das waren spätpubertierende Azubis, die sind doch harmlos….. und so ging es weiter.
Ja, es klingt vielleicht harmlos, wenn man den Vorgang SO beschreibt, denn es war nur eine kleine Nuance, eine unterschwellig verächtliche und latent bedrohliche Aggression, für die kein Polizist der Welt je einen Strafzettel verteilen würde. Aber die Gefahr war da, ich habe sie gewittert. Das meine ich zumindest. Mein Mann meint, ich spinne. Was meinen Sie, liebe Leser?
Fotoquelle: Instagram
Ich kann dem zu 100% nachempfinden! Mir wäre es genauso oder sehr ähnlich wie dir ergangen.
Man fühlt sich unsicher, unwohl, vielleicht leicht bedroht und spürt diese aufkommende Angst in einem die immer weiter ansteigt.
Höchste Zeit, sich mit einer Warnpfeife auszustatten😊