Beitragsfoto: Wohin führt der Weg? Copyright: Glamometer
Sabine schließt hastig die Haustür und lässt die Käfer Einkaufstüten auf den Boden fallen, Oh Gott, schnell rein und Tür zu. Oh Gott, oh Gott, oh Gott,da draußen ist gerade Mandy vorbei gefahren, die Geliebte ihres Mannes. Schwarzer Mini Clubman, Nürnberger Kennzeichen, Sylt Sticker, das ist sie.
Sabine muss sich beruhigen. Das die hier aufkreuzt, dieses Nürnberger Flittchen, war ja zu befürchten. Früher oder später. Denn: Es ist vorbei. Finito. Tobias, ihr Gatte, hat seine Geliebte abserviert.
Oh Gott, was mache ich nur, wenn die jetzt Amok läuft, denkt Sabine. Oder an der Haustür klingelt. Oder Tobias abpasst. Oder die Kinder mit der Nanny.
Sie geht mit den Tüten in die Küche, von da hat man einen Blick auf die Strasse. Sabine duckt sich, so wie ein Dieb im eigenen Haus. Dabei ist das Grundstück von einer dicken weißen Mauer umgeben und Überwachungskameras zeichnen auf, wer sich nähert.
Sabine versteckt sich hinter der Küchen Markise und versucht zu schauen, ob Mandy den Clubman geparkt hat, ob sie ausgestiegen ist – oder vielleicht, oder hoffentlich, wieder gefahren ist. Man weiß ja nie.
Fünf, sechs Minuten steht sie da, eine gefühlte Ewigkeit…. ihr Herz klopft. Eine Mischung aus Furcht – und Freude. Siegesfreude. Kein Clubman. Keine Mandy. Sabine hat gewonnen. Den Kampf um ihren Mann.
Es war nicht leicht. Aber: Sabine hat die Nerven behalten. Sie hat die Zügel in die Hand genommen. Und gehandelt. Ist ausgezogen mit den Kindern. Hat ihm das Messer auf die Brust gesetzt. DIE – oder wir. Und Tobias hat sich entschieden!
Sabine und Tobias sind seit 12 Jahren verheiratet, Sabine ist 38, Tobias 54, sie haben zwei Kinder, Tim, 10 und Theresa, 8 – und ein sorgenfreies Leben in einer Münchner Villengegend mit Haushälterin und Nanny. Tobias ist Rechtsanwalt. Er hat eine große, internationale Kanzlei und arbeitet rund um die Uhr.
Sabine denkt daran, wie sie sich kennen lernten. Er, der aufstrebende Anwalt, damals noch angestellt. Sie, die kleine Praktikantin, die für ihn kopieren musste. Beim Sommerfest wurde geflirtet und dann…
Tobias war damals schon ein erwachsener Mann, wußte genau, was er wollte. Sabine war jung, 23, und unbedarft. Sie war nicht sicher, ob sie mit einem soviel älteren Mann überhaupt zusammen sein wollte. Was würden ihre gleichaltrigen Freunde sagen? Tobias war damals schon… ein Workaholic. Er ging weder in Nachtclubs, noch in Bars oder Restaurants, er hatte keine Hobbies, er hatte seinen Job.
Torschlusspanik denkt Sabine heute, er hatte vielleicht Torschlusspanik mit Anfang Vierzig keine Frau mehr zu finden. Sie heirateten schnell, die Kinder kamen, Tobias gründete die Kanzlei, sie wurde ein Erfolg.
Sabines Rolle in all den Jahren war: Hausfrau, Mutter. Es war keine Frage, ob sie arbeiten ging, die Lebensplanung wurde von Tobias festgelegt. Wenn er abends heimkam, selten vor 21 Uhr, dann freute er sich über einen hübsch gedeckten Tisch, über kleine Köstlichkeiten, ein Glas Wein – und liebe Worte. Sex war nie eine große Sache gewesen und es wurde noch weniger, aber Sabine begnügte sich damit, denn sie war: zufrieden.
Was will ich mehr, sagte sie sich, ich habe zwei tolle Kinder, einen fürsorglichen Mann und jeglichen Luxus.
Dann kam die Sache mit Grundschullehrer Ludwig. Ein cooler Typ, so alt wie Sabine, ein Flirt, mehr nicht. Sie gingen ein paar mal aus, führten stundenlange Gespräche, tanzten durch die Nacht. Süß und unschuldig, eigentlich. Und doch…
..fing Sabine an, ihr Leben zu hinterfragen. War es das, was sie wollte? Einen Mann, der NIE Zeit hatte? Auch am Wochenende bei der Arbeit war? Der täglich versprach, dass er „pünktlich“ nach Hause käme und dann doch erst nach Mitternacht erschien? Der immer gereizt war und immer öfter ausflippte? Seinen Kindern keine Gute Nacht Geschichten vorlas? Der Sabine nicht mehr als „Frau“ sah, sondern nur noch als Mutter seiner Kinder?
Sabine ist heute klar, warum ihre Ehe kippte. Die Mechanismen, die Hebel, sind ihr heute voll bewußt. Je frustrierter sie war und je mehr sie nörgelte, auch an Tobias rumnörgelte, desto weiter zog er sich in sein Schneckenhaus zurück.
WENN sie sich sahen, gab es Streit. Aber sie sahen sich immer seltener. Tobias arbeitete noch mehr, vor allem er reiste viel und kam tagelang nicht nach Hause. „Höhepunkt“ war ein gemeinsamer Urlaub in Südfrankreich, als er sie und die Kinder im für 2 Wochen gebuchten Ferienhaus einfach sitzen ließ und zurück nach Deutschland flog.
Den ersten „Verdacht“ schöpfte Sabine nach der Weihnachtsfeier. Tobias blieb über Nacht „im Büro“ – schrieb er auf WhatsApp und dann war sein Handy aus. Also rief Sabine im Büro an. Aber da ging keiner ran. Seltsam.
War Tobias anders? Ja. Er war: netter als sonst. Höflicher. Ausgeglichener. Aufmerksamer. Sie hatten sogar wieder Sex.
Und doch…. machte Sabine das Schrecklichste und Fürchterlichste, das, was alle Frauen machen, wenn sie Verdacht schöpfen: sie kontrollierte sein Handy. Die Anrufliste: harmlos. Ein bißchen oft „Nürnberg“. Vielleicht ein Kollege, dachte sich Sabine. Und dann ging sie auf die WhatsApp Nachrichten und dann…war nichts mehr in ihrem Leben wie zuvor.
Leugnen ging nicht mehr, die Beweislage war mit Fotos und Antwortfotos zu eindeutig. „Nürnberg“ war eine Frau, sein Verhältnis.
Wie sich herausstellte hieß „Nürnberg“ Mandy und war aus Nürnberg, 25 Jahre alt, und von Beruf Kosmetikerin. Die Affäre ging bereits ein Jahr und Tobias hatte ihr auch schon ein großes Geschenk gemacht: einen schwarzen Mini Clubman.
Sabine hat es damals, vor 8 Wochen, komplett den Boden unter den Füßen weg gezogen. Und wenn sie ehrlich ist… fühlt sie sich noch immer so. Verunsichert, verletzt, beschmiert. Sie war NATÜRLICH schockiert. Heulte und schluchzte ein paar Nächte durch. Auch Tobias war durch den Wind. Es waren schlimme Tage. Die schlimmsten in Sabines Leben. Was macht man als betrogene Ehefrau, Ende Dreißig, mit zwei kleinen Kindern, ohne Beruf und ohne Vermögen?
Sabine fasste einen radikalen Entschluss. Sie war wütend, wütend genug, um keine Angst zu haben. Keine Fragen wie: sitze ich bald auf der Straße? Sie packte das Nötigste, nahm die Kinder, stellte ihr Handy aus und zog zu ihren Eltern. Alles fürchterlich, klar, die Kinder durch den Wind, ihre Eltern durch den Wind….
..als Tobias nach Hause kam, fand er ihren Brief. Klar formuliert. Ich will die Scheidung. Sorgerecht für die Kinder, Hälfte vom Vermögen. Dann bist Du bist uns morgen los.
Es war ein nüchterner Brief, schockierend knapp. Tobias hatte mit allem gerechnet, aber nicht DAMIT.
Tobias wollte keine Scheidung. Er nahm sich 3 Tage Zeit. Dann meldete er sich bei ihren Eltern. Traf Sabine zum Gespräch. Zum Versöhnungsgespräch. Sie redeten…und redeten. Sie diskutierten, sie weinten. Und doch war beiden klar: wir bleiben zusammen. Das, was wir haben, ist gut. Wir müssen uns nur wieder auf uns besinnen. Den anderen „sehen“. Zeit mit ihm verbringen.
Natürlich ist das leicht gesagt und schwer in der Ausführung. Die tiefe Verletzung, der bittere Betrug, das alles nagt an Sabine und macht ihr Angst. Aber sie weiß auch, dass diese Mandy nicht vor ihrer Haustür aufkreuzen würde, wenn Tobias KEINEN harten Schlussstrich gezogen hätte. Sabine hat gewonnen. Zumindest für den Moment….