Beitragsfoto: Bei einer Diät verboten: Kaffee und Original Sacher Torte… Copyright: Sacherhotels
Es war ein schönes Weihnachtsfest. Ich war bei meinen Eltern in Bremen, meine kleine Schwester kam auch, sie studiert in Freiburg Medizin, und meine Mutter bekochte uns eine komplette Woche mit unseren Lieblingsspeisen. Schon vor Weihnachten ging es los mit Schnitzelorgien, gefolgt von diversen Bratwurst-Stopps auf dem Weihnachtsmarkt, über die Feiertage, na ja, das übliche halt und immer noch ein Plätzchen, ein Stück Stollen, ein Glühwein, ein Dessert. Und danach fuhr ich mit meinen Mädels noch eine Woche zum Ski fahren nach Ischgl. Ich sage nur: Germknödel! Mit Butter und Mohn. Und abends wieder Schnitzel und danach zur Krönung einen Kaiserschmarren.
Und als ich jetzt zurück nach Hamburg kam – passten meine Jeans nicht mehr. Also: natürlich passen sie noch. Jeans haben heute einen hohen Stretch-Anteil und dehnen sich krass. Aber die Wage zeigte 4 Kilo mehr, das ist viel, und diese Kilo sah ich nicht nur an meinen etwas rundlicher gewordenem Bauch und den Hüften – ich bemerkte sie auch. Beim Yoga war da plötzlich….war plötzlich…Schwabbel!
Ich war nie dünn, ich habe eine typische Größe 40, bin 1.70 groß und wiege 62 Kilo. Eigentlich.
Dass meine Jeans spannen – geschenkt. Aber mein Anblick in der Yoga Hose, das war schlimm. Es war ein Schock. Speckwülste, rund und dick und an jeder Seite meiner Hüften und am Bauch. In den Frauenzeitschriften nennt man das immer „Speckröllchen“ – Diminuitiv, eine Verniedlichung einer scheußlichen Sache, aber ich kann das nicht hin nehmen. Ich bin 31, Single, und trage gerne coole Mode.
Eine Saftkur, über 2 Tage eingenommen, soll 2 Kilo bringen. Das kriege ich hin. Denke ich.
Ich bestelle also für 59 Euro eine Detox Saftkur, mit der ich abnehme und meinem Körper trotzdem alle hochwertigen Vitamine und Nährstoffe zuführe. Schreibt der Anbieter. Es sind 6 „Mahlzeiten“ pro Tag, Säfte, Limonaden, Smoothies und Shots. Alles vorbereitet und gemixt, ich muss nur….ich muss nur anfangen. Und durchhalten.
Kann ja nicht so schwer sein. Machen Millionen von Kunden, ALLE machen Saftkuren. Denkt man, wenn man im Netz danach googelt.
Ich bin ehrgeizig, will keine Zeit verlieren. Mein erster Arbeitstag ist der 4. Januar und der Start meiner Crash Diät.
Mein Tag beginnt morgens um 8 mit einer Latte Macchiato mit Soja Milch und einem Vollkorn Toast mit Marmelade. Eigentlich. Darauf zu verzichten ist echt schwer. Mir fehlt etwas. Allein die Zubereitung meiner Latte, es ist so ein Ritual, ich stehe in der Küche…und weiß nicht so recht, was ich machen soll. Aber egal, ich denke an die nächste Yoga Stunde. OHNE die Speckrollen.
Großes Hallo im Büro, alle erzählen von ihren Ferienerlebnissen…und trinken Kaffee dabei. Ich nicht. Kaffee ist verboten bei meiner Kur. Nur falls ich starke Kopfschmerzen bekomme, von den Entzugserscheinungen quasi, dann darf ich Kaffee trinken. Ich habe aber keine Kopfschmerzen. Und nuckele an einem stillen Wasser. Das ist erlaubt.
Um 12 bekomme ich einen Riesen Hunger. Ich trinke einen „Mango Lover“, einen Smoothie mit Ingwer, der super schmeckt – aber leider nicht sättigt. Um 1 gehen alle in die Kantine. Ich gehe mit. Und trinke, während die Kolleginnen „Pellkartoffel mit Quark“, das vegetarische Tagesgericht, essen, eine Limonade mit Blue Spirulina. Weihnachten und Silvester sind immer noch die großen Themen beim Mittagstisch, aber ich kann nicht mit reden. Ich könnte natürlich schon mit reden, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Ich stiere den anderen auf den Teller und stelle mir vor, wie lecker so eine große, feste und dampfende Kartoffel doch schmeckt. Und der cremige Quark mit der frischen Petersilie….
Um 15 Uhr bin ich mit den Nerven am Ende. Ich denke die ganze Zeit nur an eines: essen. Nahrung. KAUEN. Ich kann nicht auf nichts konzentrieren, denke immer nur: ich DARF nichts essen. Ich DARF nichts essen. Ich DARF nichts essen.
Ich arbeite oft Überstunden oder mache bis in den Abend hinein wichtige Terminsachen fertig. Dann esse ich auch lange nichts. Das fällt mir aber nicht auf. Ich bemerke es gar nicht. Aber jetzt… nur weil ich es mir verboten habe, denke ich ständig ans essen. Ein Teufelskreis.
Außerdem habe ich echt Hunger – was eigentlich nicht sein dürfte, wie der Hersteller meiner Saftkur behauptet.
16 Uhr, noch ein Saft, mit Spinat und Kohl, schmeckt widerlich, aber egal, und als ich um 18 Uhr heim komme, noch ein Saft und dann gleich den Shot, er ist mit Kurkuma und ganz schön scharf. Und 7 grummelt mein Bauch, ich sterbe vor Hunger, habe schlechte Laune und… mir fehlt was. Das Ritual. In meiner WG kochen wir abends zusammen. Wir sind zu dritt, drei Mädels, alle schnipseln wir Gemüse, machen einen Salat oder sitzen wenigstens zusammen und schmieren uns ein Käsebrot, aber heute? Ich bin allein, eigentlich ideal für eine Diät. Andererseits…ich DARF nicht essen, ich DARF nicht essen, ich denke ich die ganze Zeit diesen einzigen Satz, er macht mich verrückt. Ich schaue auf die Uhr. Das kann doch alles nicht wahr sein. 10 nach 7, wie soll ich denn bloß den Rest des Abends verbringen, ich will durchhalten….
Ich höre wie die Tür geht, Kiki kommt heim, meine WG Partnerin, ich freue mich riesig, weil wir uns 10 Tage nicht gesehen haben. Kiki war auch beim Ski fahren und hat einen süßen Typen kennen gelernt und jetzt öffnet sie eine Flasche Pinot Grigio, stellt zwei Gläser auf den Tisch, öffnet eine Packung Studentenfutter und während sie ausführlich über die unglaubliche Story mit dem Typen erzählt, trinken wir Wein und futtern das Studentenfutter und danach bestellen wir uns eine Pizza, und es ist mit TOTAL egal, weil ich danach satt und glücklich bin und die Diät auf einen besseren Zeitpunkt schiebe.