Beitragsfoto: Viky, Julia Schygulla und Frau Weber, drei echte Freundinnen
Ein minikleines Modelabel, gerade mal ein halbes Jahr auf dem Markt, die Gründerin ein weißes Blatt Papier – völlig unbekannt. Aber „befreundet“ mit einer jungen Redakteurin. Man kannte sich aus dem Nachtleben, das verbindet.
Und treibt dazu an, in der Redaktionskonferenz zu raunen…DAS kommende Label und auch noch aus München. Müssen wir bringen, denn die Designerin ist soo cool und lässig. Und könnte die Hilfe auch gut gebrauchen und freut sich, denn NOCH läuft es mit den Aufträgen nicht so toll, aber wenn WIR das pushen…
Gesagt getan. Die Chefredakteurin lässt sich breit schlagen, die Taschen sind so la la, nicht wirklich dolle, aber okay, ein Freundschaftsdienst.
Keine Fotos vorhanden? Kein Problem, schießen wir auf unsere Kosten. Und klar, die dürft Ihr dann auch für Euere Website benutzen. Interviewtermin nach einer durchzechten Nacht einfach vergessen? Kein Problem, wir kommen gerne nochmal. Und nochmal. Den Text frei geben lassen? Verlangt nicht mal Tom Cruise, aber weil IHR es seid!
Eine halbe Seite in der vollen September Ausgabe frei geschaufelt. Müssen die zahlenden Kunden halt näher zusammen rücken.
Ach ja, vorm Druck proforma noch frei geben lassen…..was soll schon schief gehen bei einem Gespräch über Taschen. Deadline kommt, Taschen Designerin im Urlaub oder im Party Delirium, wer weiß es schon genau…genau die Deadline, 10000 Anrufe, Bitten, flehen, jammern…nichts….
Dann, exakt NACH Heftschluß, eine hingerotze Mail „Send from my iPhone „….sorry, aber der Text geht so gar nicht. Das Interview gebe ich nicht frei, ich fühle mich nicht korrekt repräsentiert und hätte mir außerdem eine ganze Seite vorgestellt. Wo bleibt der Insta Post? Auf dem Account des Heftes UND der Chefredakteurin? Und überhaupt: Ihr habt noch die ganzen Taschen vom Shooting, die können wir jetzt nicht verkaufen und haben Verdienstausfall. Wie wollen wir uns denn da einigen?
Die junge Redakteurin, die sich so sehr für das „coole Label“ einsetzte, hat schlaflose Nächte. Wir soll sie das nur der Chefin beibringen? Zwar hat die Designerin alles Wort wörtlich genau so ins Diktiergerät gesprochen, echauffiert sich nun aber über den Satz „Eine schwarze Tasche passt zu allem“. So etwas Spießiges würde sie doch niemals sagen. Und obwohl die pünktlich retournierten Taschen nach Erscheinen des Artikels längst ausverkauft sind, denkt die junge Redakteurin: meine Karriere ist nun hinüber. Die „Freundschaft“ mit der Designerin ist es auf jeden Fall.
Noch ein Beispiel?
Die junge Frau fährt nach New York. Kannst Du mir etwas mitbringen, fragt die Mutter des Kindergartenfreundes der Tochter. Man kennt sich flüchtig von Spieldates, mag sich, wie man sich mag, wenn die Kinder gut klar kommen.
Die junge Frau ist eigentlich nur kurz in Big Apple, 2 Tage geschäftlich, keine Zeit für Privates oder gar Shopping geplant, aber okay, was brauchst Du denn? Diese pinkfarbene Strass Haarspange von Bergdorf Goodman, ich sterbe ohne die, kannst Du die mir bitte bitte mitbringen….
Pinkfarbene Strass Haarspange? Okay….hat Du ein Foto? Schick ich heute Abend, sagt die Kindergartenmutter und vergißt es. Am nächsten Tag nochmals die Bitte nach dem Foto…oh, vergessen, aber HEUTE ganz bestimmt….und wenn nicht, es gibt ja nur die EINE pinkfarbene Strass Spange dort….
Die junge Frau fliegt nach New York, sie hat noch immer kein Foto, aber den festen Auftrag die Strass Spange zu kaufen. Ihre Termine sind eng gesetzt und finden alle im One World Center statt, am anderen Ende von Bergdorf Goodman und der Strassspange, da kommt die SMS der Kindergartenmutter: Wünsche Dir viel Spaß und vergiß mein Mitbringsel nicht, Smiley.
Die Meetings der jungen Frau dauern länger als geplant, die Zeit zum shoppen wird knapp, aber die Spange ist fest versprochen…
Statt der U-Bahn nimmt die junge Frau ein Taxi zu Bergdorf, Hinfahrt 45 Minuten, Rückfahrt 1 Stund 20 Minuten, es kostet insgesamt 48 Dollar. Aber: Versprochen ist versprochen.
Eine einzige pinkfarbene Strassspange liegt in der Vitrine, sie kostet 180 Dollar. Die junge Frau ruft bei der Kindergartenmutter an, sie will sicher gehen, dass es sich um die richtige Spange und den richtigen Preis handelt. Einmal, zweimal, dreimal anrufen, keiner geht ran, in Deutschland ist es 5 Stunden später, die Kindergartenmutter nimmt nicht ab – vielleicht schläft sie ja schon…um 10 Uhr abends, soll es ja geben….
Die junge Frau kauft die Spange, läßt sie verpacken, extra mit Bergdorf Tüte, der Trolley ist voll, sie schleppt die Tüte per Hand….und überreicht das Päckchen am übernächsten Vormittag der Kindergartenmutter. Die packt sie aus, schaut sie kurz und verächtlich an, sagt dann: wie doof, das ist garnicht die Spange, die ich wollte. Nee, sorry, die will ich nicht…..naja, Du kennst doch so viele Leute, die bringst Du schon unter die Leute…
Kein Danke, kein „Ich ersetzte Dir das Geld“, kein ich lade Dich auf einen Kaffee ein. Nichts.
Was lernt man aus diesen Geschichten – und sicher kennen, SIE, liebe Leser, auch einige davon:
„Freundschaftsdienste“ sind oft keine. Welche 5 Punkte soll man beachten?
- Keine Dankbarkeit erwarten. Erledigen Sie den „Freundschaftsdienst“ ohne emotionale Erwartungen. Positiv wie negativ. Denken Sie, Sie würden das Gleiche für einen Fremden tun
- Finanzielle „Ansprüche“ vorher klar stellen, am besten mittels SMS…das kann man ja nett formulieren….
- Immer überlegen, was wäre, wenn es nicht klappt oder etwas schief geht. Für beide Seiten. Sie verkaufen einer Freundin Ihren alten Minicooper…und der fällt nach 2 Wochen auseinander…
- Freundschaftsdienste leistet man in der Regel nur EINMAL. Ist DAS jetzt wirklich die richtige Gelegenheit und der passende Zeitpunkt?
- Für Freundschaftsdienste muss man sich erkenntlich zeigen. Wollen Sie das? Wirklich?