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Ich habe mal dort gelebt. Zehn wunderbare Jahre lang. Erst Studium, dann Arbeit. Ich liebe London. Es ist für mich die Stadt meiner Träume. Das Leben damals war wild, aufregend und facettenreich. Es gab nichts, was wir nicht angestellt hätten. OMG, was für eine geile Zeit.
Ich lernte meinen Mann kennen – einen Münchner. Ausgerechnet! Ich zog wieder nach Bayern, verabschiedete mich von meinem exzentrischen Lifestyle und lebe heute zufrieden und happy mit meinen drei Kindern, dem Hund und dem Haus mit Garten im Münchner Osten. Ich bin Hausfrau, 33, und hatte einen kurzfristigen Nostalgie-Anfall, mir fehlte Prickeln, Aufregung – London. Da kam der Anruf meiner alten Freundin. Besuche mich mal. Bitte. Muss mit Dir reden.
Der Wunsch war mir Befehl.
London, Heathrow. Melting Pot aller internationalen Flugpassagiere, aka alles geht durcheinander. Sofort fällt auf: in London ist alles dunkel, düster und schmutzig – laut. Hektisch. Ekelhaft. Unser Münchner Flughafen – ein Garten Eden.
Schon der Transport in die Stadt ist beschwerlich, wenn man nicht gleich ein Vermögen ausgeben will. Die Alternative zum 80 Pfund Black Cab ist „Airport Taxiservices“, da ist man bei 38 Pfund – hat aber das Gefühl, man sitzt in Bangladesh. Niemals mit diesen „Airport Taxiservices“ fahren! Ganz wichtige Regel für alle London Touristen, die sich nicht auskennen. Da ich ja quasi Ortskundig bin, konnte ich meinen nicht Englisch sprechenden Fahrer doch irgendwie zu meinem Ziel lotsen.
Notting Hill! Als ich damals dort wohnte, war die Gegend hip. Jeder hatte den gleichnamigen Film gesehen und Millionen Touristen strömten in unseren Kiez, alle auf der Suche nach einem Buchladen – und Hugh Grant. Es war damals Bohème. Günstige Pubs für Bauarbeiter, witzige Second Hand Läden, das exklusive „Electric Cinema“, die vornehme Kensington Park Road, bevölkert von Locals und dem wöchentlichen Portobello Markt.
Notting Hill heute. Meine Freundin zahlt für 40 qm 800 Pfund. Die Woche! Und das ist noch ein Schnäppchen. Die Leute in Hotting Hill sind nicht reich, sondern MEGA reich. Hedge Fond Manager mit ihren Yummy Mummies, die nach der Geburt, die Säuglinge bei der Maternity Nurse ablegen, um 5 mal wöchentlich ihren Trainer zu empfangen. Beliebtester Sport jeder jungen Mutter: sofort dünner auszusehen wie VOR der Schwangerschaft. Die schrägste Methode ist ein Dampfbad – aus Eis! Das Eis soll angeblich den Fettanteil im Bauch schmelzen lassen. Wer’s glaubt!
Meine Spots: Frühstück im Granger & Co. Eiweiß-Omelett, pochierte Eier, veganes Brot, hier gibt es gesundes Frühstück und alle alle stehen Schlange. Eine Stunde (gefühlt) Wartezeit ab morgens um 10 Uhr, aber andererseits: es lohnt sich. Es ist clean und hoch elegant, nicht Tofu wurstig wie bei uns in Deutschland, wo „Bio“ immer noch einen Eigengeruch hat. Es ist die Zukunft des „Clean Chic“, und des „Clean Eating“, wirklich augenöffnend. Bodenhohe Fenster machen die Location hell und freundlich – man schaut auf Armeen von Philippinischen Kindermädchen, die den Missoni-Bugaboo ihrer Auftraggeber auf – und ab schieben. Ich habe meine Kinder immer persönlich und ausgesprochen gerne spazieren gefahren – in London wäre das ein gesellschaftlicher Fauxpas.
Haare schön! Ganz wichtig in London. Kein Mensch wäscht sich die Haare selbst, ich gehe zu „Show Dry“, dem Salon von Formel 1- Erbin Tamara Ecclestone für den berühmten „Signatur Blow Dry“, eine stylishe Föhnfrisur, die sich wirklich von den deutschen „Waschen & Föhnen“ Ergebnissen unterscheidet. Es ist nicht so onduliert, sondern locker, hip und modern. Wirklich toll. Es gibt bei „Show Dry“ übrigens keine Zeitschriften mehr – nur noch I-Pads! Ich zahlte 35 Pfund – es war eigentlich das Günstigste an meinem London Trip.
Abend Programm? Wenn ich schon in London war, wollte ich das ganze Paket mitnehmen. Glamour! Da gibt es eine einzige Adresse: das“Loulou“ in Mayfair. Epizentrum der Dekadenz. 70er Jahre Pomp, Farb-Explosionen, Plüsch meets Dschungel, Samt meets Leopardenmuster, es ist ein spektakulärer Zirkus Halligalli und die Manege sind wir, die Gäste. Spätrömischer Schwulst in der Kulisse eines Fellini Films, es ist so over the Top, dass man es einfach gesehen haben muss. Ich fühlte mich in meinem schwarzen Jumpsuit von Selfportrait wie eine Landpomeranze. Denn: hier sitzen wenig „anständige“ Frauen. (Die könnten sich die saftigen Preise schon gar nicht leisten). Deshalb darf man auch nicht fotografieren. Absolutes Handy-Verbot. Als ich mein Telefon kurz rauskrame, um zu schauen, ob meine Kinder zuhause okay sind, kommt der Kellner mit einem Rüffel. Handy bitte weg. Telefonate nur draussen.
Die Frauen hier! Schmeißen sich an alles ran, was nach Geld aussieht. „Smirting“ ist das Wort, Mischung aus Smoking und Flirting. Diese „Damen“ rauchen alle aus einem einzigen Grund – um draussen den Oligarchen abzupassen. Es ist eigentlich widerlich. Und natürlich sind nicht ALLE Frauen so, meine Freundin beispielsweise ist eine höchst erfolgreiche Unternehmerin, 34, klug, bildschön – aber alleine. Die Männer in London wollen sich nicht binden. Die Auswahl ist zu groß und die (anderen) Frauen zu willig. Mr.Right – den Buchhändler aus Notting Hill – den gibt es nicht mehr. It’s all about money – und „Free Spirit“ ist die Umschreibung für „Ich mache was ich will und nehme auf Dich keine Rücksicht.“
Meine Freundin ist mit ihren 34 Jahren eigentlich zu alt, um sich auf diese ganzen Spielchen ein zu lassen. Sie datete einen süßen Typen, verbrachte mit ihm ein gemeinsames Weekend – und Sonntag Abend tröstete sich der Herr bereits mit anderen Frauen – offen gepostet auf Instagram. Das ist keine Ausnahme, es die Realität hier. London ist gnadenlos. Es raubt Dir alle Hoffnungen und Träume. Du wirst desillusioniert. Und finanziell ausgezogen. Es ist nicht mehr meine Stadt. Es sind nicht die Leute, mit denen man sich umgeben möchte. Nicht herzlich, nicht liebevoll, nicht lustig – sie sind berechnend, kalt und abgekartet.
Aus unsere alten Clique sind die meisten weg gezogen. Nach Genf oder Zürich, nach Frankfurt – oder München, so wie ich. Natürlich ist London noch immer einen Besuch wert. Die Tate Modern, Harrods, Bond Street, das alles macht Spaß und ist bereichernd. Und natürlich es gibt’s nicht nur trottelige Männer und mietzekatzige Golddiggerinnen. Nicht alles ist Schwarz und Weiß. Aber die goldene Mitte fehlt. Die fand ich nicht mehr.
Unten: Schräges Pärchen im Loulous
Hmm… ein bisschen klingt das wie die Neuauflage von Gossip Girl. Ich wohne seit mehreren Jahren in London und finde es schade eine so klische gefärbte Momentaufnahme, die sich in jeder Metropole abspielen könnte als scheinbaren Standard zu beschrieben… das wird der Realität leider in meinen Augen nicht gerecht und wirkt ein bisschen flach. Ich fände es schön eine etwas erwachsenere Perspektive zu zeigen 🙂 Ein bisschen Klischee ist immer amüsant aber ist eben doch recht irrelevant ….