Ich bin Katharina, 37 Jahre alt, Mutter von drei Schulkindern und seit 4 Monaten wieder berufstätig. Ich bin die „Quasselstrippe“ im Büro, ich weiß, dass man hinter meinem Rücken die Nase rümpft, nicht belächelt, nicht leiden kann und meidet – deshalb flüchten sich alle auch ostentativ in die Raucher Küche, wo ich wegen meiner Allergie nicht hin kann. Ich weiß das alles und bemerke es, es ist Mobbing der schlimmsten Art, eine Psycho-Folter. Gehen Sie mal an einen Ort – täglich – wo sie wissen, dass Sie alle hassen!
Mein Leben habe ich mir weiß Gott anders vorgestellt. So wie das meiner Eltern. Ich komme aus einem guten Elternhaus, mein Vater war Prokurist bei einem Pharmaunternehmen in Basel, meine Mutter früher Model und dann Hausfrau. Papi brachte das Geld heim, viel Geld, wir hatten und haben ein Haus am Rhein, eine Haushälterin und eine Putzfrau, wir fuhren in tolle Urlaube und Mami zog uns drei Kinder mit Liebe und Zuwendung auf, ich wuchs also behütet und wohlhabend auf.
Mein Vater und meine Mutter waren meine „Rolle Models“, eine glückliche Beziehung bis heute, das klassische Rollenmodell, dass ich jetzt auch lebe. Leider! Denn die Zeiten haben sich geändert. Und ich habe den falschen Mann geheiratet.
Tommy, mein Mann, war mein Skitrainer, ich verliebte mich unsterblich in ihn und weil meine Eltern so sehr dagegen waren, heiratete ich ihn erst recht, eine Art späte Pubertätsreaktion. Tommy ist der klassische Sonnybony, ein Charme-Bolzen, mega sportlich, mega Figur, alle lieben ihn. Er ist 6 Jahre älter als ich, und als ich ihn kennen lernte, studierte er mit seinen fast 30 Jahren noch immer, während ich schon mein Diplom hatte. Es hätte mir zu denken geben müssen, aber ich war blind vor Liebe, wurde schwanger, wir heirateten, Tommy beendete sein Studium, alles schien auf Kurs. Als Emma, unsere älteste Tochter kam, gab ich meine „Stelle“ auf. Ich war Praktikantin bei DEN Architekten, Herzog de Meuron, wo mich mein Vater über Beziehungen untergebracht hatte. Dort lernte ich auch Lars kennen, meinen jetzigen „Chef“. Der war damals auch Praktikant. Und hat heute dieses riesige Büro, was für eine Karriere.
Mein Tommy arbeitet bei O2 im Marketing. Er ist immer noch der klassische Sonnyboy, viel reden und wenig Taten folgen lassen und so tritt er beruflich seit ein paar Jahren auf der Stelle. Und bekommt mit Anfang Vierzig Konkurrenz von den jüngeren, die besser ausgebildet sind – und wohl auch fleißiger sind. Und weil mein Tommy mit Druck überhaupt nicht umgehen kann, braucht er ein Ventil.
So holt er gerade seine Jugend nach. Er geht aus mit seinen 15 Jahre jüngeren Kollegen, er hat Flirts, er säuft. Und ich sitze daheim und mache gute Mine zum bösen Spiel. Ich sitze da wie, ja, wie eigentlich? Gefangen. Gefangen und eingesperrt in ein Leben, dass ich mir so ganz ganz anders vorgestellt habe.
Die bescheuertste Idee von allen war die, dieses Haus zu kaufen. Tommy und Hauskauf, das konnten ja nur schief gehen. Wir sitzen jetzt weit vor den Toren der Stadt, in einem netten Haus, dessen Renovierung aber ein vielfaches der geplanten Kosten überschritten hat, Und die Raten nehmen uns die Luft zum atmen. Billigzinsen, schon klar Tommy, aber die Summe macht dann auch eine Summe.
Und deshalb muss ich auch wieder arbeiten. Ich bin Lars, meinem ehemaligen Mit-Praktikanten, unendlich dankbar, dass er mir diesen Job gegeben hat. Denn eigentlich bin ich dafür nicht mehr qualifiziert. Ich bin über 10 Jahre raus. Da hat sich die Welt einmal komplett gedreht. Die Digitalisierung ist weit fort geschritten, die ganzen neuen Programme beherrsche ich nicht (mehr) und tue mir schwer damit. Dazu kommt die unglaubliche Geschwindigkeit mit der heute alles abläuft. Früher hatte man mal Zeit, über etwas nach zu denken, zu diskutieren. Heute wird alles zack zack weg gearbeitet.
Ich habe schlaflose Nächte und weine fast immer, wenn ich aus dem Büro nachhause komme, wo immer noch der Frühstückstisch unaufgeräumt da steht. Wenn ich heim komme, erledige ich den Haushalt und dann koche ich, für abends wenn die Familie zusammen am Tisch sitzt. Wobei Tommy immer öfter „schwänzt“, er muss arbeiten sagt er, aber ich merke natürlich, dass er aus geht, denn er riecht nach Alkohol wenn er spät Nachts zu mir in Bett kommt.
Kochen ist mein Hobby, ich entspanne mich dabei und es macht mir Spaß neue Rezepte aus zu probieren. Es freut mich, wenn es den Kindern schmeckt, es tut mit gut in der Seele. Deshalb koche ich täglich – für mein Seelenheil und ich weiß schon, dass ich im Büro deshalb als spießig gelte. Die Kollegen verrollen die Augen, wenn ich über ein gelungenes Rezept oder ein interessantes Gewürz berichte.
Sie verrollen überhaupt immer die Augen. Egal, was ich mache, ist es falsch. Ja, ich rede viel. Aber ist Unsicherheit, die mich so plappern lässt. Keine böse Absicht. Ich versuche halt nett zu sein. Dinge, zu sagen, von denen ich hoffe, dass sie ankommen. Ich möchte doch auch gemocht werden! Das ist doch nicht zuviel verlangt?! Ich bin 37 Jahre alt und zittere vor mittzwanzigjährigen Kollegen!
Ja, ich halte alle auf, weil ich ständig nachfragen muss. Ich beherrsche das Zeichenprogramm nicht gut und ständig ist was durcheinander. Ich habe mittlerweile solche Angst vor Fehlern, dass ich sie tatsächlich auch mache. Ein Teufelskreis. Die Kollegen helfen mir dann widerwillig. Und ich will mich bedanken – mit netten Worten. Ich versuche dann krampfhaft ein Thema zu finden, was meine Kollegen interessieren könnte. Das ihnen was bringt. So kam der unglückliche Satz mit dem Mercedes. Ich weiß doch, dass die Kollegen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen! Die verspätete S-Bahn ist ein Dauerthema im Büro. Genau deshalb habe ich ja von der Leasing-Aktion bei Sixt berichtet! Mercedes Leasing bei Sixt. Aber keiner hörte mir zu Ende zu. Es kam zu einer schlimmen Diskussion. Alle gegen mich. Fürchterlich.
Getoppt wird das ganze noch von einem Vorfall, der mich wirklich ängstigt. Unser Praktikant hat beim Hockeytrainer meiner ältesten Tochter angerufen. Der hat es mir besorgt erzählt und mich auch gleich vor dem Praktikanten, einem ehemaligen Kumpel, gewarnt. Er hätte lauter persönliche und intime Fragen über mich gestellt. Ihn richtig ausgehorcht. Ja wo sind wir denn? Bei der Stasi? Seitdem zittere ich, wenn ich ins Büro komme. Ich habe Angst und Panik. Und bin so verunsichert, dass ich erst recht alles falsch mache, das falsche sage, das falsche zeichne, alles Mist, was ich mache.
Muss ich mir das antuen? Muss ich mein Leben weiter so verbringen zwischen einem stressigen Ehemann, zwischen arroganten Kollegen und drei Kindern in der Pubertät? Ich brauche, glaube ich, Hilfe.