Manfred ist nicht da. Die Millionärs Gattin liegt alleine im Bett.
Manfred war auch gestern nicht da, er übernachtet in seinem „Büro“, behauptet Christine vor Frau Ostowic, der Haushälterin, aber natürlich ist das gelogen. Manfred hat eine junge Geliebte, seit ein paar Wochen geht das schon, sie riecht es an seinen Hemden, wenn er nachts nach Hause kommt, sie merkt es an seinen Gesten, die so aufgeregt unaufgeregt sind, er hat Christine letzte Woche zum essen ausgeführt und ihr einen Strauß Calla gebracht, ihre Lieblingsblumen, er spielt den braven Ehemann. Und Christine…..schaut zu.
5 Uhr früh im Herzogpark ist wenig Licht in den Häusern, die Menschen schlafen, selbst die Hunde ruhen, kein Mucks zu hören, gespenstisch still ist es in Christines komfortablen Schlafzimmer, sie steht auf, legt sich den orangefarbenen Hermes Bademantel um und läuft ins Badezimmer. Sie hasst dieses Badezimmer, es ist aus weißem Carara-Marmor mit goldenen Jado Perlrand Cristal Armaturen, protzig und laut, das war der Wunsch von Manfred, der das Barocke so liebt und ihr unmissverständlich klar machte, dass SEIN Geschmack der entscheidende war…..sie fühlte sich in den Meetings mit dem berühmten Interior Designer immer unwichtig und klein, nicht wie die Ehefrau, sondern, wie, ja, wie die lästige Verwandtschaft. Sie hätte im Badezimmer gerne sandfarbenen Naturstein gehabt und moderne Armaturen, aber zum Schluß ging es Manfred mehr ums Rechthaben als um den guten Geschmack und sie gab auf.
Christine spült ihr Gesicht mit kaltem Wasser ab, drückt aus der silbernen Pillenpackung die letzte Tavor heraus und schluckt sie hastig mit einem großen Schluck aus dem Hahn hinunter. Gleich wird sie ruhiger werden. Vielleicht sogar ein Stündchen schlafen. Schlafen, endlich schlafen. Wie lange geht das mit den schlaflosen Nächten, den Ximovan zum runter kommen und Elvanse, Ritalin oder Attentin zum wach werden, durchhalten, konzentrieren….
Christine schaut in den Spiegel. Ihr Gesicht ist blass und faltenfrei, die Zähne gerade und weiß, das Zahnfleisch rosig. Sie ist eine schöne Frau. Noch. Noch sieht man ihr die 4 vor ihrem Alter nicht an, noch könnte sie mit ihrer schlanken Figur für Mitte Dreißig durchgehen. Doch alles hat seinen Preis, und er wird immer höher. Die Kosten für den Zahnarzt übernimmt Manfred, aber die Rechnungen für die Botoxspritzen spart Christine sich heimlich vom Haushaltsgeld ab. Manfred soll nicht wissen, das ihr Gesicht schon längst – insgeheim – den jungendlichen Glow verloren hat. Mittlerweile joggt sie auch täglich auf ihrem Laufband, 7 Kilometer, denn Manfred hat sich ein paar mal über ihre runden Hüften beschwert.
Christines Haare sind lang und blond, zu blond eigentlich, sie weiß, dass die jungen Dinger jetzt ihre Haare etwas dunkler tragen und kürzer, aber sie traut sich das nicht, denn Manfred… würde es vielleicht nicht mögen. Und sie wüsste auch garnicht, welcher Friseur ihr dieses Make-over verpassen könnte, sie geht seit Jahren zu einem prominenten Coiffeur, der seine Tipps in Hochglanzzeitschriften verbreitet, aber für sie….immer nur das gleiche Blond, den gleichen Schnitt, die gleichen geföhnten Wellen stylt.
Christine geht zurück ins Schlafzimmer, aber in ihrem Kopf wirbeln die Gedanken. Sie denkt an Lisbeth, die Frau von, nein, sie war nicht verheiratet, sie war nur die Freundin, und so wurde sie nach 8 kinderlosen Beziehungsjahren von ihrem Grigri im Frühjahr eiskalt abserviert und abgespeist mit einer lächerlich kleinen Wohnung – 60 qm in Oberföhring -und 500.000 Euro Cash, wie sollte sie, die verwöhnte, glamouröse Lisbeth, davon nur leben können, die ganze Stadt sprach davon. Weihnachten hatte man noch gemeinsam in St.Moritz verbracht, und Lisbeth bekam ein wunderschönes, pavégefasstes Serpenti-Armband von Bulgari und Christine „nur“ eine goldene Kordelhalskette von Wellendorff. Lass Dir das bloß nicht gefallen, hatte Lisbeth geraten, und so kam es zu einem heftigen Streit mit Manfred, den sie jetzt bitter bereut.
Christine läuft in die Küche und holt sich aus dem silberfarbenen Edelstahl SMEG ein Glas Pellegrino und als sie das getrunken hat, nimmt sie den letzen Schluck Hendricks Gin direkt aus der Flasche. Morgen wird sie damit aufhören. Sie wird keinen Alkohol mehr trinken und keine Tabletten mehr nehmen. Morgen wird sie mit Manfred sprechen. So kann es nicht weiter gehen. Die Angst, die Panik-Attacken, die Schlafstörungen. Sie ist am Ende.
Als Christine Manfred kennen lernte, war er bereits Vorstand, ein ehrgeiziger, erfolgreicher Mann Anfang Vierzig, er war weiß Gott nicht ihr Traumtyp, mit der bulligen Figur und dem kahlen Kopf, aber er konnte er ihr ein gutes Leben bieten und das war das, was sie sich immer erträumt hatte. Christine, das Einzelkind aus kleinen Verhältnissen, Vater bei der Polizei, hübsch, langbeinig und gefügig. Sie sprach wenig, aber lächelte viel, das hatte ihre Mutter ihr beigebracht und so hatte sie zahlreiche Verehrer, die alle älter und vermögend waren.
Manfred war Christines Ticket in die bessere Gesellschaft. Sie war 28 Jahre alt, in voller Blüte, aber schon weise genug zu wissen, dass sich das Zeitfenster für eine Frau nach 30 bald schließt und dass Manfred wohl ihre letzte Chance auf ein sorgenfreies Leben sein würde. Er schmückte sich mit ihr, mit seiner neuen, schönen jungen Frau wie mit einem Accessoire, einer neuen Birkin-Bag, die man stolz präsentiert: schaut, was ich mir leisten kann!
Er verließ seine Ehefrau und die beiden Töchter für Christine, von heute auf morgen und genau so brachial, ungerührt und rücksichtslos wie er damals seine erste Familie abserviert hatte, würde er es diesmal – mit ihr – wieder tun.
Morgen: Christine’s Social Life: eine Gefühls-Achterbahn zwischen Klatsch, Tratsch und falschen Freunden
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