…..aber jetzt ist Schluß, meine Tageszeitung und ich, wir sind geschieden.
Ich hoffe, dass ich es nicht bereue. Irgendwie habe ich ein wehmütiges Gefühl.
Eigentlich bin ich ein schlimmer Zeitungsjunkie, ich brauche täglich meine 4 Tageszeitungen, mindestens, sonst werde ich unleidig. SZ, Welt, BILD und FAZ. Ich habe meine Lieblingsautoren, den Bannas, den Sattar , den Robin Alexander, und wenn es nach mir ginge, müßten sie bei Springer Ulf Poschardt und Julian Reichelt an ihre Chefsessel ketten und zwingen einen stündlichem Newsletter mit der Bewertung der politischen Situation in Deutschland zu publizieren. Halten Sie mich für eine bildungsbürgerliche Besserwissen-Protzerin, das bin ich nicht, ich lese zum Beispiel nie das Feuilleton, außer es gibt spannende Skandale in Bayreuth oder Salzburg oder ich verstehe als einzige den Deutschen Pavillon auf der Biennale mal wieder nicht.
Ich habe eher proletarische Interessen, ich bin ein Fußball Fan. Und als FAN, das sagt ja schon das Wort, möchte man sich mit seinem Heimatverein identifizieren. Also….liest man gerne GUTES über den Heimatverein. Die Redakteure können natürlich die Ergebnisse der Fußball Bundesliga nicht beeinflußen. Aber sie können sie bewerten. Und jetzt komme ich zum Punkt. Ich habe es satt, dass ich jeden Montag Morgen, am Start einer stressigen Arbeitswoche, in die ich mit guter Laune beginnen möchte, mich beim Sportteil wundere: haben die ein anderes Spiel gesehen wie ich??? ICH finde, dass mein Heimatverein grandios gespielt hat, der Elfmeter völlig zurecht gegeben wurde und das böse Faul nur eine Schwalbe vom Gegner war. Schiedsrichter Telefon! Und wenn es dann um die Notenverteilung geht…Schwamm drüber, das Schlimmste ist, dass sie fast immer unterschwellig mutmaßen, dass mein Verein bald den Bach runter geht, obwohl wir eigentlich fast immer gewinnen.
Es ist eine sadomasochistische Beziehung zu meiner Tageszeitung, auch in Sachen politische Berichterstattung. Ich weiß schon vorher, wenn bestimmte Leitartikler auf der Meinungsseite kommentieren, dass ich das besser NICHT lese, weil ich mich wieder aufrege, aber ich kann nicht anders, ich lese das dann…und schimpfe lauthals: Propaganda!
Diese Hassliebe ist offensichtlich ein liebgewonnenes Ritual , denn…..seit einem halben Jahr kommt meine Zeitung unpünktlich und manchmal auch gar nicht mehr und dann fehlt mir etwas am Frühstückstisch, denn die anderen Tageszeitungen lese ich längst online. Das hat mit unseren geänderten Frühstücksgewohnheiten zu tun. Früher gab’s Semmeln von der Bäckerei und die Tagespresse vom benachbarten Kiosk. Heute wollen alle nur noch Gesundes, No Carbs, und der Kioskbesuch findet online statt.
Wenn eine abonnierte Zeitung nicht ordnungsgemäß ausgeliefert wird, kann man sich beschweren. Ihn einem Call Center. Man spricht zuerst mit einem Computer, der alles aufnimmt, die Postleitzahl und die Art der Beschwerde. Oft sind die Leitungen allerdings belegt und man wird in die Warteschleife gehängt. Liebliche Musik im Hintergrund. Die mich nach gefühlten 10 Minuten Warteschleife total aggressiv macht. Lieber Schweigen in der Leitung als musikalische Folter. Bis man mal einen „echten“ Menschen sprechen kann dauert es lang. Zu lang. Ich weiß nicht, wie es IHNEN geht, aber bei uns ist das Frühstück durchgetaktet, ein routinierter Ablauf und 10 Minuten Investition für die fehlende Zeitung ist mir einfach zu viel. Zumal man sich dann wieder nur aufregt und gedanklich nicht mit dem Wesentlichen beschäftigt: der Vorbereitung auf den Arbeitstag.
Die Mitarbeiter im Call Center sind freundlich und geschult und beschwichtigen souverän. Probleme mit dem Austräger, Verzeihen Sie, das kommt nicht mehr vor, wir könnten eine nachträgliche Zustellung gegen 10 Uhr garantieren. Das wird dann wie ein megatoller Sonderservice für Abonnenten verkauft aber man fühlt sich…. verhöhnt. Um 10 Uhr sitze ich bereits im Büro! Da brauche ich keine Zeitung mehr! Und wenn mir die Lieferzeit egal wäre, würde ich ja nicht JETZT anrufen…..
Beim vorletzten Aussetzer meiner Tageszeitung sagte ich der Dame im Call Center, dass sie das mit den Zustellern JETZT WIRKLICH in den Griff kriegen müssten. Sonst würde ich mein Abo kündigen. Und ich hoffte mal, dass diese mangelnde Zuverlässigkeit des Verlages nicht auch im redaktionellen Teil ihren Einzug gehalten hätte. Die Dame am Telefon sagte mir noch, dass ich mündlich nicht kündigen könne….ach was?!
Die Auflagen der Tageszeitungen schwinden massiv, die haben riesige Probleme. Aber statt mich, den letzten treuen Dinosaurier, den zuverlässigen Abonnenten mit dem man im Werbemarkt die Anzeigenkunden lockt , statt MICH also zu hegen und zu pflegen, muss ich in einer jämmerlichen Warteschleife mit kostengünstiger Gema-freien Musik ganz langsam verhungern…..
Annette Weber
…absolut der Hammer!
Tanja Bock
http://www.tanjabock.com
Danke liebe Anja und Danke fürs Glamometer lesen….