Es war einer dieser Abende, auf die man keine Lust hat. An denen man an alles denkt, außer an ein Date. Ich kam spät aus dem Büro, leicht erkältet, ich wollte nur noch auf die Couch mit einem heißen Tee. Doch Christy, meine beste Freundin penetrierte mich so lange, bis ich schließlich mitkam. Zu diesem verhängnisvollen blöden Abendessen, dass mir jetzt solche Schmerzen bereitet.
Hans, ein Patenrecht Anwalt, feierte seinen 33 Schnapszahlengeburtstag mit einem Abendessen, daheim bei seinen Eltern, die eine prachtvolle Villa in München Grünwald besitzen. Wie langweilig, dachte ich. Und wie unnötig weit draußen, ich wohne am Gärtnerplatz, das ist eine Weltreise. Aber Christy holte mich mit dem Auto ab und so kam ich mit.
Ich hatte mich nicht mal besonders in Schale geschmissen. Im Gegenteil, ich war müde und schwach und zu kaputt für ein aufgetakeltes Styling. Meine alten Lieblingsjeans von Current/Elliott, dazu ein noch älteres Hemd von Acne und wirklich ururalte Prada Pumps, das war mein Look.
Die Villa von Hans Eltern ist imposant, schon das gigantische Entree mit dieser wahnsinnigen Calder Skulptur, ein Traum. Das Essen fand in einem holzgetäfelten Esszimmer statt mit einem herrlichen Blick in den parkähnlichen Garten, der kunstvoll erleuchtet war.
Ich war ehrlich beeindruckt. Zunächst gab es einen Cocktail in der Bibliothek, es wurde Bier, Gin Tonic und pinkfarbener Champagner serviert. Von richtigen Kellnern. Wo gibt es das denn bei Thirtysomethings? Ich beschreibe die Situation auch nur deshalb so ausführlich, weil sie vielleicht dazu beigetragen hat, dass Ludwig und ich uns falsch einschätzten. Es war wie in einem kitschigen Hollywood-Flim, alle reich, schön und gut angezogen.
Ludwig. Ich kannte ihn vom sehen aus dem P1, ein cooler Typ, er war mein Tischherr. Ludwig sieht SEHR gut aus, ist adelig, studierter Arzt, arbeitet aber bei einer Unternehmensberatung und hat in München den Ruf ein „Catch“ zu sein. Single seit ein paar Monaten und auf der Suche….
War das ein toller Abend! Wir lachten und scherzten, am Anfang waren noch unsere Gegenüber mit im Gespräch, aber irgendwann konzentrierten wir uns auf uns. Wir diskutierten über Religion und Politik, über Wissenschaft und Moral, über Kunst und Jazz. Kultiviert, niveauvoll, am Puls der Zeit.
Nach dem Essen standen wir auf und gingen wieder in die Bibliothek, aber es war ja ein Mittwoch und am nächsten Morgen ein normaler Arbeitstag und so drängte Christy zum Aufbruch und zwar so derartig schnell, dass Ludwig und ich uns nicht mal uns auf WhatsApp connecten konnten.
Das erste mal WARTEN. Meldet er sich? Connected er mich auf Facebook? Abonniert er mich auf Instagram? Aber: das erste WARTEN war süß. Ich wußte, dass er kommt. Es war eine Frage der Zeit. Und tatsächlich: Sonntag Nachmittag, poppte oldschool eine SMS Nachricht auf meinem Handy auf.
„Habe Deine Nummer von Hans geklaut. War garnicht leicht. Du bist am Mittwoch einfach verschwunden. Alles okay?“ Ich war paralysiert. Ludwig! Die Bombe. Der Catch. Mein zukünftiger Ehemann! Ruhig bleiben. Erstmal Christy anrufen.
Die kam dann sofort auf einen Tee und wir texteten beide nach langen Diskussionen, abwägen, verwerfen und neu denken die Antwort: „All good. Du so?“
Sonntag Abend, kurz nach dem Tatort kam seine Replik, super Zeit, dachte ich, süß, so kurz vor der Heia.Und wir verabredeten uns für Mittwoch. Eigentlich ein Scheiß Tag, siehe Hans Geburtstag denn wenn man sich gut versteht, ist es taktisch ungünstig, weil das kommende Wochenende tabu ist, denn man kann sich ja schlecht Mittwoch abends für Samstag verabreden. Das würde ja zeigen, dass man nicht begehrt ist und Samstag nix vor hat…..
Aber absagen? Wirkt zickig. Kleine Option. Ich sagte also zu, aber Gottseidank….. kündigten sich unsere Frankfurter Anwälte an, ein Tag Verhandlungen und abends Käfer, das machen wir immer so. Ich schrieb ihm mein Malheur, er hatte Verständnis, er arbeitet ja auch in einer Unternehmensberatung, wie ich.
Wir verlegten unser Treffen auf Donnerstag. Um 8 im Calypso, das ist ein angesagter Grieche in Schwabing. Den ganzen Donnerstag war ich nervös und fast übellaunig, obwohl ich ihn ja abends sehen würde. Die Zeit verging im Schneckentempo, Minuten zogen sich wie Stunden, Sekunden wie Tage. Eindeutiges Zeichen: Verknallt!
Und dann, ausgerechnet, als ich schon daheim war und umgezogen für unser Date….klingelte Frankfurt. Unser Headquarter. Pflichtbewußt ging ich ans Telefon. Nie mehr wieder. Es hatte Probleme gegeben, die mußten abends noch geregelt werden. Aber absagen? Ludwig, diesen süßen, tollen, schicken Mega-Typen alleine sitzen lassen? Meinen künftigen Ehemann? Quatsch.
Ich schmiss mein Laptop an, stellte ein paar neue Daten zusammen … und smste Ludwig, dass ich mich ein bißchen verspäten würde. Der Job, you know, kann man nichts machen! „No prob, trotzdem hop..“ schreib er, wie süß!
Ich kam kurz vor 9 und war total gestresst, weil ich natürlich nicht fertig geworden war und wußte, dass ich noch eine Nachtschicht würde einlegen müssen. Kein Alkohol also. Oder nur ein Glas. Und nicht sooo spät heim. Scheiß Voraussetzungen für ein Date.
Doch Ludwig war glänzend drauf. Hatte totales Verständnis. Und wieder redeten wir wie alte Freude miteinander. Es gab kein fremdeln, kein Unverständnis, keine Distanz. Wir sprachen lange über unsere Jobs, die ja nie einen Feierabend kennen, keine richtigen Ferien und keine Tabu-Zeiten für Emails. Ludwig und ich sind immer on. So lag die ganze Zeit mein Telefon auf dem Tisch, Ludwig lachte nur, er sagte, in 10 Jahren will ich das alles nicht mehr.
Seine Perspektive: in den elterlichen Holz-Konzern einsteigen. Die Familie besitzt Wälder und ein kleines Gut in Norddeutschland. Dort ist er aufgewachsen. Mit drei Geschwistern. So wie ich. Auch ich komme aus dem Norden und kann mir vor stellen, dort wieder zu leben. Ja, wir sprachen über unsere Zukunftspläne. Ganz konkret fragte er mich nach Kinderwunsch, Zeitpunkt der Eheschließung und Konfession der künftigen Kinder. Da fängt man als Frau schon mal zu träumen an!
Wir schlossen das Calypso quasi ab. Danach gingen wir zur Gruam , eine verrückte Kneipe im Schlachthof Viertel. Jägermeister, Zukunftspläne, lachen, flirten….knutschen. KNUTSCHEN!!! Heftig knutschen. Dann plötzlich, Scheiße, ich muss ja noch die Bewertung für Frankfurt fertig machen. Ludwig setze mich Gentleman-like in ein Taxi und drückte dem Fahrer 20 Euro in die Hand. „Bringen Sie die junge Dame sicher nach Hause“, sagte er. Wie süß, mein Held!
Niachts noch die SMS: „Gut nach Hause gekommen?“ Süßer geht’s ja nicht.
Freitag schrieben wir uns die ganze Zeit Ping Pong, es war schön. Lustige, kleine, süße Messages. Ich wartete auf seine Frage, ob wir uns Samstag sehen würden…aber sie kam nicht. Dabei hatte ich mir Samstag Abend natürlich NICHTS vor genommen. Zur Sicherheit. Was treibst Du eigentlich fragte er Samstag Abend, jetzt will er sich verabreden dachte ich und schrieb den verhängnisvollen Satz: „Sitze alleine daheim und warte auf den Märchenprinzen….“
Das war IRONISCH gemeint. Mit drei Punkten nach dem Märchenprinzen. Damit er den angefangenen Gedanken zu Ende bringt. Aber: es war das letzte Lebenszeichen von Ludwig. Danach kam keine SMS mehr, keine WhatsApp, eine Nachricht auf Facebook. Er postet sich fröhlich auf Parties, sogar mit anderen Frauen. Aber MIR schreibt er nicht.
Heute ist Freitag. Seit 6 Tagen herrscht Sendepause. Da meine Nerven schon Montag flatterig waren, schrieb ich ihm ein langes SMS und fragte, was los sein. Aber er antwortete nicht. Er antwortete einfach nicht. Ich schickte das SMS nochmal auf WhatsApp, falls irgend etwas mit dem Telefon nicht in Ordnung sein sollte. Man weiß ja nie. Aber auch auf diesem Kanal: NICHTS.
Ich kann nichts mehr essen, nicht mehr schlafen, nicht mehr klar denken. Ich bin ein Psycho Wrack. Ich denke nonstop an Ludwig. Diesen unglaublich tollen, süßen, scharfen, mega geilen Märchenprinzen. Meine Stimmung schwankt zwischen Hoffnung (vielleicht hat er ja doch nur sein Handy verlegt und meldet sich bald), Unverständnis (WARUM?????? Warum meldet er sich nicht, habe ich etwas falsch gemacht und wenn ja, was?) und Wut (Scheiß Typ, Arschloch, man kann mit einer Frau doch nicht über künftige Kinder sprechen und dann untertauchen!)
Das Wochenende steht vor der Tür. Ich habe mir nichts vor genommen, es könnte ja sein, dass er anruft. Und dass ich dann nicht daheim bin. Das wäre eine Katastrophe. Ich WARTE. Und WARTE. Und wieder vergeht die Zeit nicht. Aber es ist ein anderes Gefühl. Ich ahne, dass er sich nicht meldet. Die Frage ist nur: WARUM?
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