Es war ein Nike „Cortez“, Schwarz, mit weißem Logo-Haken. Eine Bloggerin trug ihn zu ausgefransten Jeans auf einem Streetstyle-Foto auf der Online Seite von Stylebop, meinem Lieblings E-Commerce Händler. Es war ein richtiger Flash. Wie cool das Foto aussah! Und wie cool würde ICH mit diesem Turnschuh wohl aussehen? Ein echtes Aha-Erlebnis. Ich wußte: genau DEN bestelle ich jetzt.
Das war Tag, oder vielmehr der Abend, der meinem Leben neuen Schwung brachte. Ich orderte meinen ersten Nike. Mein Leben? Nicht langweilig, aber ein bißchen eingefahren. Es plätscherte dahin, ohne Höhen und Tiefen. Ich bin 44 Jahre alt, seit 3 Jahren geschieden und Justiziarin bei einem großen Pharma Konzern in Duisburg. Ich verdiene sehr gutes Geld und mein Job macht mir Spaß, aber die Branche ist äußerst konservativ. Hosenanzug, Kostüm, Bluse und Pumps, das ist unsere gängige Arbeitskleidung, unser fester Dresscode. Und so ist mein Schrank voller orangefarbener Schuh-Kartons mit Pumps, Loafern oder Stiefeletten von Tod’s. Ich liebe Tod’s, die Schuhe sind schick und klassisch, aber auch ein bisschen italienisch-lässig und genau so modisch, dass ich sie im Büro noch tragen kann, ohne Kopfschütteln zu ernten.
Mein Arbeitstag beginnt morgens um 8 Uhr mit einer kurzen Konferenz. Danach bespreche ich mit meiner Assistentin die weiteren Termine, führe Mitarbeitergespräche oder treffe Kollegen aus der Geschäftsleitung. Als Führungskraft kann ich in unserem Chef-Casino zu Mittag speisen und auch Salate oder belegte Brötchen kaufen für Nachmittags oder abends, was ich tatsächlich oft mache. Ich bin stets die letzte der Abteilung, die geht, nie vor 18 Uhr. Wie gesagt, mein Job macht mir Spaß. Aber er ist auch mein Lebensmittelpunkt geworden.
Nach einer Scheidung trennt sich auch immer der Freundeskreis. Bei uns schlugen sich die meisten auf die Seite meines Mannes. Das war besonders schmerzhaft, weil zeitgleich auch unser Sohn zum Studium nach München aufbrach. Ich saß plötzlich alleine da. Und stürzte mich in die Arbeit. Drei Jahre ging das gut.
Und dann kam Nike. Modell „Cortez“. Das ist deshalb wichtig, weil der „Cortez“ schmal geschnitten ist und keinen breiten Fuß macht. Im Gegensatz zum „Superstar“ von Adidas. Den hatte ich im Jahr davor gekauft, aber nie angezogen, weil er eben breite, klobige Füße macht. Da ich Schuhgröße 40 trage, achte ich extrem auf die Form.
Ich zog den „Cortez“ an und betrachtete mich von allen Seiten im Spiegel. Es war: WOW! Ich fühlte mich damit jünger, 10 Jahre jünger. Aber nicht verkleidet, so ich-mach-jetzt-auf-Teenie. Ein Sneaker ist nicht peinlich an die Jugend angebiedert. Er ist ein echter Jungbrunnen, ein Phänomen. Man läuft schon ganz anders. Schneller, lässiger, jugendlicher. Und alle, wirklich alle Outfits sehen mit einem Turnschuh cooler aus. Samstags fuhr ich zum Stadtbummel nach Düsseldorf und führte „meinen“ Nike spazieren. Ich kombinierte ihn mit dunkelblauen Adriano Goldschmied Jeans und meinem Burberry-Trench. Ich kam mir sooo stylish vor. Urban, großstädtisch, international. So angezogen könnte ich auch über die Fifth Avenue in New York flanieren. Oder die Avenue Montaigne in Paris. Oder eben hier über die Königsallee. Es war ein richtiges Glücksgefühl, dieser Turnschuh für 90 Euro gab mir ein weibliches Selbstbewusstsein, dass ich lange nicht mehr kannte. Das Gefühl: ich gehöre wieder dazu. Zum Club der modernen Frauen.
Natürlich kann ein Turnschuh kein Leben verändern. Das kann man nur selbst. Aber bei mir war er eine Initialzündung. Mittlerweile besitze ich 5 Nike-Modelle, in Schwarz, in Weiß, aber auch einen blauen und einen roten. Ich habe mich getraut, ausgefranste Jeans zu kaufen. Und eine Cabanjacke. Und traf beim Stadtbummel in Düsseldorf Kathrin, nette Kollegin aus der HR Abteilung. Sie machte mir ein Kompliment, sagte, sie hätte mich fast nicht erkannt, so…. anders würde ich aussehen. Wir tranken erst einen Kaffee zusammen und dann ein Glas Chablis. Gingen das Wochenende darauf gemeinsam ins Kino und haben uns jetzt für eine After Work Party in Düsseldorf angemeldet. Ich freue mich riesig darauf. Es ist wieder was los in meinem Leben, ein klitzekleines bißchen nur, aber es ist ein Anfang!
Fotoquelle: Instagram