Heiss steht die Juli-Sonne über dem Sa Trinxa Beach, wir sind in Ibiza, trinken Sangria Cava und Udo sagt, schau, da kommt Matze. Ich bin zu faul, mich umzudrehen, zu müde, träge, lull und lall von den Parties der letzen Tage, von Sonne, Meer und Alkohol. Es könnte mir nicht besser gehen, mir fehlt nicht mal eine Urlaubs-Affäre, genau in DER Sekunde, mit Blick auf türkisblaues Wasser, die Füsse im hellen, feinen Sand, mit meiner Clique, meiner neuen Clique und dem sicheren Gefühl, ich habe die letzen vier Jahre endlich abgehakt.
Vier Jahre in einer Beziehung mit einem verheirateten Mann. Mit all den Aufs und Abs, den heimlichen Treffen und Telefonaten nur an Werktagen, Geschenken an Weihnachten, die meine Einsamkeit und sein schlechtes Gewissen überbrücken sollen. Vorbei, fertig, ich will nicht mehr, WIRKLICH nicht mehr, es ist vorbei.
Udo ist mein Fitnesstrainer, schwul und lustig und mittlerweile auch mein Seelentröster. Komm‘ mit nach Ibiza, sagte er, Du musst den Mist vergessen, und das kannst Du auf der Insel wie nirgendwo auf der Welt. Okay, ich buche einen Flug, bin mutig, in eine Finca in Talamanca, zusammen mit drei schwulen Männern zu ziehen.
Ibiza ist der Wahnsinn. Die Insel vibriert. Sex liegt in der Luft. Parties, Drogen, Alkohol, noch mehr Parties, schräge Typen, lustige Mädchen, reiche Säcke, arrogante Models und jede Menge Prostituierte, oder sind es bezahlte Girlfriends, wo ist der Unterschied, in Ibiza ist alles egal, außer: Vergnügen.
Wir gehen jeden Tag aus, machen die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht, vergessen Raum und Zeit, ist es 10 Uhr morgens oder abends, ist heute Montag, egal, die nächste Party ist schon wieder im Gange. Wir raven im Cave und im DC10, tanzen im Pascha und im Lios, wir sehen den Sonnenuntergang am Cap des Falco und den Sonnenaufgang am Sunset Ashram Beach. Wir fahren mit dem Boot nach Formentera, lassen bei Juan y Andrea ein Vermögen, aber hey, wir sind jung und was mich betrifft, ich bin 32 Jahre alt und: FREI.
Er stolpert über Udo, der auf mich fällt und ich falle auf den Sangria, der in den heißen Sand läuft. Pass doch auf, meckere ich, blöder Typ, denke ich, und drehe mich um und dann steht er da: Matze.
Matze heißt Matthias, ist 31 Jahre alt und Banker und arbeitet bei Goldman Sachs in London. Aber das weiß ich in dem Moment natürlich noch nicht, ich weiß nur, dass mich gerade ein Stromschlag trifft, ein elektrisierendes Kribbeln bis in den Arm hinunter. Wir schauen uns direkt und tief in die Augen.
Geiler Typ. Genau mein Typ. Er trägt ein hellblaues, offenes Boggi-Hemd und dunkelblaue Badehosen von Orlebar Brown sowie eine komplett verrückte Strass-Sonnenbrille und einen verwitterten Zylinder von Nick Fouquet, aus dem dunkelblonde Locken quillen. Was für ein geiler Typ! Hoffentlich nicht schwul, denke ich, denn auch meinen Jungs ist das Sahnestückchen nicht entgangen, aber Udo spielt den Postillion d’Amour.
Das ist Matze, der kommt aus London und bleibt übers Wochenende bei uns, ich dachte, Du freust Dich, wenn Du ein heterosexuelles Date hast, und Matze braucht Ablenkung, zuviel Arbeit und Unglück.
Ich hatte keine Ahnung, dass wir einen Mitbewohner in die Finca kriegen, aber DER ist mir recht. Matze holt einen neuen Sangria Cava, das dauert eine Weile und so frage ich Udo – natürlich nicht soooo offensichtlich – aus.
Warm-up geht mit Sangria ganz schnell. Nach einer Stunde fragt mich Matze, ob ich mit ihm schwimmen gehe. Wir springen von dem kleinen Sprungbrett ins kühle Meer, schwimmen, lachen, schwimmen zurück, setzen uns in eine kleine Gumpe und erzählen uns unser Leben. Noch nie habe ich so schnell so eine Nähe zu jemandem gespürt. Es ist, als ob wir uns schon ewig kennen würden. 36 Stunden bleibt er auf der Insel, zwei Tage und zwei Nächte.
Am Abend fahren wir nach Santa Gertrudis ins Macao Café, da sitzen wir eng aufeinander und flirten. Die Jungs wollen ins Ushuaia, wir kommen mit, aber ziehen irgendwann alleine weiter, das ist so ein Bonnie & Clyde Moment, wir fahren in die Stadt, streifen durch die Gassen und erzählen und erzählen. Matze ist schlau, lustig und unkonventionell. Er hatte lange ein Verhältnis mit einer älteren, verheirateten Frau, genau wie bei mir, eine frustrierende Situation, aber defintiv letzte Woche beendet, seine Arbeit ist stressig und er überlegt ein Startup zu gründen. Alles, was er sagt, ist interessant. Er interessiert sich für mich und stellt die richtigen Fragen, er hört zu, er geht auf mich ein. Er blickt in meine Seele und sagt Dinge, die mir noch niemand zuvor sagte. Er erkennt MICH und ich ERKENNE ihn. Es ist Magie.
Irgendwann stehen wir in einer Bar und fangen an zu knutschen. Wir wissen, dass das mit uns keine Zukunft hat, ein One Night Stand bleiben wird, bleiben muss, er wohnt in London, will seine Freiheit, ich lebe in München und bin auf dem Selbstverwirklichungstrip. Wir hatten 36 Stunden, jetzt sind es noch 24 Stunden, lass geniessen….
Zwei Wochen später sitze ich wieder daheim in München. Der Urlaub ist vorbei, der Traum zu Ende. Ich verlebte das schönste, innigste, verrückteste und romantischste Wochenende, das man sich nur vorstellen kann. Ich bin glücklich, dass ich diesen Urlaub und dieses Weekend mit Matze hatte. Mir geht es gut. Matze und ich waren 36 Stunden unzertrennlich. Wir hatten alles, was zwei Menschen miteinander haben können. Sex, Nähe, Gefühle, Gespräche, Wärme, Austausch, alles.
Ich fuhr ihn zum Flughafen, eine letzte, innige Umarmung. Ich mag Dich, sagte er zum Abschied. Ich mag Dich SEHR, sagte ich, und fing nicht an zu weinen, sondern ging erhobenen Hauptes wie in einem Panzer davon. Natürlich verdrückte ich ein paar Tränen. So ein toller Typ! So ein Verständnis ist doch selten! War das die Chance meines Lebens? Hätte ich ihn halten sollen? Versuchen sollen, über eine mögliche Beziehung zu verhandeln? Aber Udo tröstete mich mich der nächsten Party, aber ich hatte jetzt keine Lust mehr auf Party, ich hatte Lust zum nachdenken.
Matze und ich hatten klar definiert: Ferien sind Ferien. Eine Ausnahmesituation. Unter der Sonne Spaniens sieht manches anders aus, als im verregneten London oder im kalten München. Ich kenne Matze nicht mal im Anzug, ich kenne ihn in Badehose. Mit Zylinder! Und er? Kann sich wahrscheinlich auch nicht vorstellen, wie das Chloé-Mädchen in der bürgerlichen Kanzlei aussieht. ICH WILL JETZT MEINE FREIHEIT.
Auf seinem Instagram Profil entdeckte ich ein Foto von ihm mit der älteren Frau, beim Dinner im Chiltern Firehouse. Er hatte also wieder Kontakt zu ihr. Er hatte es nicht geschafft, sich von ihr zu lösen, das alte Leben wieder aufgenommen. In dem Moment zog es mir den Boden unter den Füßen weg und ich heulte wie ein Schloßhund. Die Vorstellung, dass ich ihn nie mehr sehen würde, war unerträglich. Verrückt. Gnadenlos. Und dann…. kam ein kurze Whatsapp: Bin nächstes Wknd. berufl. in München. Zeit?
Lesen Sie morgen: Matze kommt nach München
Fotoquelle: Instagram
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