Wie gesagt, mit vier Weißheitszähnen fing es an. Natürlich hatte ich Angst vor dem Eingriff, da aber mein Zahnarzt nichts dagegen sagte, glaubte ich….an ein Wunder? Jedenfalls lag ich dann mit dicken Backen und unsäglichen Zahnschmerzen vier Tage lang im Bett. An essen war nicht zu denken.
Eine Woche lang konnte ich keine feste Nahrung zu mir nehmen. Damit mein Kreislauf nicht kollabierte, fing ich an, kalt gepresste Säfte zu trinken. Die stillten den Hunger und schmeckten sogar ganz gut. Ich mag kein Obst, aber Gemüse, also trank ich alles mit grünem Gemüse, ich gab eine kräftige Prise Pfeffer dazu und „verdünnte“ den Smoothie mit Zitronensaft.
Als die Schmerzen weg waren, waren auch die ersten drei Kilo verschwunden. Ein unglaubliches Glücks-Gefühl, auf der Waage zu stehen und zu jubilieren! Wie lange war ich jeden Morgen schüchtern und angstvoll langsam auf die Waage gestiegen, so als ob ein schneller Tritt das Ergebnis verändert hätte?! Aber jetzt: Meine Hosen schlotterten. Es war ein tolles Gefühl, das ich lange nicht mehr kannte. Mein Übergewicht hatte sich langsam und schleichend angesammelt. Drei Kilo nach jedem Kind, dann der Job von morgens um 6 bis abends um 7, danach kochen, Chips, Sofa.
Wir betreiben einen Zeitungs-Laden und wollten im Sommer nicht schließen. Da ich bereits Ostern mit den Kindern geurlaubt hatte, fuhr diesmal mein Mann mit ihnen ans Meer. Zwei Wochen Ferien. Der Match Maker. Ohne diese familienfreie Zeit hätte ich meine Diät nicht durch gehalten.
Wenn man eine Crash-Diät durchzieht, wird man asozial. Bekommt einen Tunnelblick. Es ist eine Form höchster Konzentration – auf sich selbst. Die Gedanken, die Gefühle, die Wünsche, die nächtlichen Träume, alles dreht sich um mich, ich, selbst. Es ist wie Meditation, alle äußeren Einflüsse stören, alle anderen Interessen erlahmen. Nach wenigen Tagen erlischt das Hunger-Gefühl und weicht einer unglaublichen Euphorie. Es ist wie eine hochpotente Droge, ein legales High. Wirklich phänomenal.
Wir haben einen großen Freundeskreis und gehen viel aus, aber ausgehen und nichts essen, das ist schwierig. Noch schwieriger ist es, auszugehen und keinen Alkohol zu trinken. Am Anfang des Abends geht es noch, aber mit zunehmendem Alkohol Pegel werden die Gespräche – nüchtern betrachtet – dämlich und redundant. Also blieb ich daheim. Tagsüber arbeitete ich im Laden, abends saß ich auf der Couch und stöberte in Online Shops nach Outfits, die ich mir nach der Diät würde kaufen können. Mein Ziel: endlich wieder in eine normale Konfektionsgröße passen. Nicht immer nur Almosen kaufen, die es in meiner Größe gibt. Wenn es überhaupt etwas gibt! Auswählen können! Und hohe Schuhe anziehen! Die nicht unter meinem Gewicht erdrückt werden. Das war mein Ziel.
Ich hielt die Saft-Kur zwei Wochen durch und fing an, meine Smoothies selbst zu pressen, so daß ich ein Gefühl von „kochen“ bekam. Ich koche ja immer abends für uns. Kohl schmeckte mir bald nicht mehr, aber ich bin ein Ingwer Junkie geworden. Gegen den schrecklichen Mundgeruch hilft Zitronensaft. Und Sellerie kurbelt den Darm nochmal kräftig an. Der Darm ist übrigens ein wichtiger Verbündeter beim abnehmen, wenn die Verdauung läuft, purzeln die Pfunde leichter. Ich fing an Rezepte zu ersinnen. Smoothie Rezepte. So waren meine Gedanken bei „Nahrungsaufnahme“ ohne dass ich Hunger bekam. Mein Psycho-Trick.
Sieben Kilo weniger zeigte die Waage an, als mein Mann nachhause kam. Auch die Kinder waren begeistert, was mich motivierte. So sehr ich mich über ihre Rückkehr freute, so ängstlich war ich auch, weil ich nicht wußte, wie ich meine Diät mit dem „normalen“ Familien-Speisezettel unter einen Hut bringen sollte. Zweimal kochen? FDH? Aufhören? Es war im Nachhinein die kritischste Phase meiner Diät. Nicht nur, dass ich abends wieder regulär kochen mußte, auch unsere Freunde wollten uns treffen – was Alkohol trinken bedeutet hätte.
Ich wurde erfinderisch. Den Speiseplan meiner Familie säuberte ich – ohne Ankündigung und heimlich – von den üblichen Kohlehydraten. Es gab Steak, Fisch, Gemüse und Salate, für mich gedünstet, ohne Dressing, Sahne, Butter. Da meine Kinder Weißbrot lieben, servierte ich stets auch ofenfrisches Baguette – was ich natürlich stehen ließ. Zum Frühstück aß ich Omlette aus Eiweiß und trank Tee ohne Zucker oder Milch. Ich fühlte mich wie eine Betrügerin, weil ich meine Diät hinter dem Rücken der Familie betrieb. Nur nicht zu viel darüber reden, dachte ich. Die Gedanken ablenken. Denn der Hunger stellte sich sein. Es war ein wahnsinniger, schmerzender, beißender Hunger. Richtige Attacken, die mich fast ohnmächtig werden ließen. Von der Saft-Kur kannte ich diese Euphorie, bei der jetzigen Diät bekam ich Krämpfe, Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme. Meine Stimmung schwankte zwischen Aggressivität, Übellaunigkeit und schierer Verzweiflung. So gereizt war ich noch nie in meinem Leben. Ich kam mir vor wie ein Bergsteiger in der Todeszone auf dem Mount Everest. Er geht einfach weiter, ohne nachzudenken, Schritt für Schritt ein Kampf zum Gipfel. Genau so ging es mir. Noch 5 Minuten durchhalten. Und noch 5 Minuten…ich blickte ständig auf die Uhr.
Knappe zwei Wochen ging das so. Dann kam der Rückschlag. Zwar hatte ich beim Burger-Essen mit Freunden nur die Hack-Bulette verspeist und das Brötchen weg gelassen. Aber irgendwie zeigte die Waage am nächsten Morgen ein kleines Plus. Ich war am Boden zerstört. Es war ein so schreckliches, niederschmetterndes Misserfolgserlebnis, dass ich zu heulen anfing. Den ganzen Tag kämpfte ich mit den Tränen, war gefrustet und zettelte abends einen Streit an, der mir die Gelegenheit gab, früh und ohne Abendessen ins Bett zu gehen. Ich fühlte mich wie ein Süchtiger, der seine Droge nicht bekommt, ich war auf kaltem Entzug, Entzug von dem Erfolg auf der Waage.
Das war der Turning Point. Ich merkte: eine normale Diät funktioniert nicht in meinem Alltag. Eine Crash-Diät schon. Es ist eine Extrem-Situation, die ich vorbereiten und gut aushalten kann. Aber mein Leben ist schön so wie es ist, und ich will es nicht ändern. Als mein Mann ins Bett kam, hatte ich mich beruhigt. Neun Kilo waren ja bereits abgenommen, das sind zwei Konfektionsgrößen. Ich legte eine Woche Diät-Pause ein und hängte dann noch einmal eine Woche Saft-Kur nach. Angekündigt und mit liebevoller Unterstützung der Familie. Das war Kilo Nummer 10.
Ein halbes Jahr ist unterdessen vergangen. Ich weiß heute nicht mehr, woher ich die Kraft nahm, meine Diät durch zu halten. Aber es hat sich gelohnt. Ich bin unendlich froh, dass ich wieder eine normale Figur habe. Ich fahre sogar wieder Fahrrad! Insgesamt sind es immer noch 2 Konfektionsgrößen weniger, aber nicht mehr ganz 10 Kilo. Wenn ich merke, dass meine neuen Jeans, reguläre Größe 42, spannen, lege ich einen Saft-Tag ein. Das halte ich gut durch – und mein Familie auch!!
E.E.
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Ich kenne das auch – ! Super geschrieben! Hut ab- es ist nicht einfach – jedoch fühlt man sich danach wie ein NEUER MENSCH XO Tanja (Es wird jetzt wieder zig Leute geben die sagen NO, sowas geht gar nicht – es gibt aber unterschiedliche Menschen die mit diesem Kilo kram nur so fertig werden – ich gehöre auch dazu!
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Hallo Tanja, Danke für den Kommentar. In meinem Bekanntenkreis gibt es drei Menschen, die radikal abgenommen haben. Alle fühlten sich nach der Rosskur, und es ist eine!!!, super. Wie neu geboren. Deshalb haben wir den Artikel in Auftrag gegeben, zum Mut machen… Lieben Gruß Annette Weber