Berlin, Gendarmenmarkt, ein Mittwoch im Juli. Der elegante Showroom von „The Mercer N.Y.“ liegt in einem vollverglasten Penthouse mit fantastischen Rundblick über die Sehenswürdigkeiten des „schönsten Platzes von Berlin“ mit seinem prachtvollen Konzerthaus und dem Deutschen Dom an der Südseite und dem Französischen Dom an der Nordseite.
Doch ich habe keinen Blick für die prachtvolle Architektur, ich habe IHN erspäht, den Rock du Jour. Er ist weiß, mit feinen blauen und gelben Streifen, hat zwei tiefe Kellerfalten, die ordentlich Stand geben und reicht knapp bis zur Wade. Diesen Rock stellte ein gewisser Christian Dior am 12. Februar 1947, also direkt nach dem zweiten Weltkrieg zum ersten Mal in Paris vor. Es war die Geburtsstunde einer Legende, des „New Look“ mit der berühmten „Blütenkelch-Linie“.
Kritiker bemängelten damals die heftige Verschwendung von teueren Stoffen, die ja Mangelware waren, und kritisierten das Frauenbild von Dior. In den Kriegsjahren waren die Frauen emanzipiert, die Mode karg, praktisch und nüchtern. Und nun DAS! Der „New Look“ war gekennzeichnet durch eine schmale Taille, ein figurbetontes Oberteil oder Korsett und weite, schwingende Röcke. Das war Mode für eine feminine, elegante Lady, nicht für eine Trümmerfrau. Interessanterweise stylte Dior zu seinen Entwürfen liebliche Wagenradhüte, die jetzt, 2017, auch wieder im Kommen sind.
Zurück zur Gegenwart. Ich habe Glück und der Rock ist „gedoppelt“, also zwei Mal im Showroom vorhanden, ich kann ihn behalten und gleich anziehen. Die Frage nach dem passenden Oberteil erübrigt sich, mein weites Jil Sander Hemd, das ich an diesem Tag trage, hellblau mit feinen Streifen, harmoniert ideal. Hammer-Look, mein New Look. Die Damen im Showroom sind begeistert, ich bin es auch. Ich sehe aus wie….eine Dame. Ein bißchen fühle ich mich verkleidet, ein Tellerrock ist Wirklich das Gegenteil von praktisch oder easy, aka meinen geliebten Jeans. Aber dafür sieht er spektakulär aus.
Machen wir den Praxis-Test. Ein Freund holt mich vom Showroom mit dem Auto ab. Es ist ein 911er, der tief auf der Straße liegt. Das Einsteigen in einen Porsche ist ohnehin eine Qual, aber mit einem Tellerrock quasi unmöglich. Ich plumpse plump auf den schwarzen Leder-Sitz und verstaue die Stoffmenge vom Rock im Fußraum. Hoffentlich knittert er nicht, denke ich. Wir fahren nach Mitte und parken in der Auguststrasse. Ich steige aus, das heißt, ich versuche mich heraus zu hieven, was nur deshalb unfallfrei glückt, weil mein Freund mir die Hand reicht. All Eyes on us. Das liegt am Luxus-Auto, dass hier, mitten in Mitte, eher selten vorbei fährt. Aber auch an mir. Ich bin eine Erscheinung. Den Hipstern in den Straßencafes bleibt der Mund offen stehen, als in meinem ausgestellten Rock Richtung Nobi Talai laufe, wo ich im Atelier verabredet bin. Ein Dame. Old School. Große Eleganz.
Den ganzen Tag geht es so: ich werde angeschaut. Betrachtet. Die Leute starren mich an und gucken mir hinterher. Im Restaurant, im Mode-Laden, auf der Messe. Das ist im Prinzip ja nichts schlechtes, aber man braucht dazu Selbstbewusstsein und das sichere Gefühl, top aus zu sehen. Das hat man ja nicht jeden Tag.
Ich ernte unglaublich viele schöne Komplimente. Der Rock ist so präsent, dass die Menschen gar nicht anders können, als etwas dazu zu sagen. Es ist wie mit einem spektakulären Hut, die Leute sagen WOW. So ein Rock ist ein Gesprächsöffner.
Ich bewege mich anders. Die schiere Stoff-Menge bzw. der weite Stand des Rocks erfordern schwingende Schritte und eine wiegende Hüfte. Ich laufe aufrechter als sonst und aristokratisch. Das Gefühl: der Rock trägt MICH, nicht umgekehrt. Er ist auch „luftig“, weshalb man sich ein bißchen nackt vorkommt. Tatsächlich strömt beim gehen immer ein wenig Luft an die Oberschenkel, was ein unbekanntes Gefühl ist, an das ich mich gewöhnen muss.
Mittlerweile ist sind zwei Wochen vergangen, ich habe meinen Rock jetzt „eingetragen“. Ich kombiniere dazu Oberteile, die möglichst lässig sind, ein Gegengewicht zur massiven Weiblichkeit. Hemdblusen, T-Shirts, Pullover. Und ich trage keine Pumps dazu. Das wäre – für mich – auch zuviel Femininität. Riemchensandaletten oder sogar Booties sind meine Wahl. Mit Jacken und Mänteln wird es schwer, durch die starke X-Silhouette funktionieren im Grunde nur Trenchcoats oder eine kurze Jeans-Jacke zum Tellerrock. Und ich würde den Rock auch nicht so für Everyday im Büro tragen. Dazu ist er zu festlich und feierlich. Aber abends zum Restaurant-Besuch, zur Vernissage, zum Theater-Besuch oder – wie kürzlich – zum Kunst-Event ist ein Tellerrock ein Roter Teppich Knaller.
Unten: Tellerröcke in bunten Farben. Süßer Stilbruch: die coolen Sneakers
Unten: Lässig zum ultrafemininen Rock: Bluse und Pullover
Unten: Auch Pantoffeln passen zum Tellerrock, hier farblich perfekt abgestimmt
Fotoquelle: Instagram
Dieser Rock ist wirklich ein Volltreffer !! Ausgesprochen ladylike !
Danke für den aufmerksamen Kommentar!!! Und weiterhin viel Spaß mit Glam-o-meter!!
Danke für den Kommentar! Wir freuen uns immer SEHR über die Reaktionen unserer Leserinnen…
Ich liebe Tellerröcke, allerdings nicht mehr für mich, seitdem meine Taille etwas breiter geworden ist. Diese Röcke sehen nur an schlanken Frauen gut aus und Ihnen steht er ausgezeichnet!
Liebe Ulrike, Danke für den Kommentar. Ich würde Ihnen aber gerne widersprechen. Ich finde, dass ein Tellerrock genau bei weiblichen Figuren toll aussieht. Ich weiß das genau, bei uns in München zur Wiesn tragen alle Frauen Dirnd. Mit weit ausgesetelltem Rock. Und dieses Dirndl sieht NUR an femininen Frauen gut aus….denn dann wirkt die Taille erst recht schön schmal!!! Lieben Gruß Annette Weber